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■ Die AnderenZur Nominierung des französischen Zentralbankchefs Jean-Claude Trichets als Präsident der Europäischen Zentralbank bemerkt "Liberation" / Zum gleichen Thema die "Financial Times" und der Berliner "Tagesspiegel"

Zur Nominierung des französischen Zentralbank- Chefs Jean-Claude Trichet als Präsident der Europäischen Zentralbank bemerkt „Libération“: Jacques Chirac ist konsequent. Während fast alle europäischen Staaten die Nominierung des Niederländers Wim Duisenberg für das Präsidentenamt bei der künftigen Europäischen Zentralbank unterstützen, hat Frankreich beschlossen, seinen eigenen Kandidaten zu präsentieren: Jean-Claude Trichet, den Chef der Banque de France. Trichet ist nicht unbedingt der Geschmack des Präsidenten, aber er ist die glaubwürdigste französische Persönlichkeit – zumindest in den Augen der Deutschen –, um einen Anspruch auf diesen Posten erheben zu können. Jospin folgt dem Kreuzzug des Elysée. Denn Jospin hat verstanden, daß die Nominierung eines Franzosen als Präsident, selbst wenn es der ultraorthodoxe Trichet ist, das beste Mittel ist, um zu zeigen, daß das monetäre Europa nicht, wie man sagt, „auf deutsch“ dirigiert wird.

Zum gleichen Thema schreibt die britische „Financial Times“: Es geht hier nicht vorrangig darum, ob Trichet ein geeigneter Kandidat ist oder nicht, sondern darum, ob es vernünftig ist, ihm das Amt zu übertragen. Wenn er als Ergebnis französischen Drucks oder einer bilateralen Abmachung zwischen Deutschland und Frankreich in dieses Amt käme, wäre das nicht nur für die Europäische Zentralbank schlecht, sondern für ganz Europa. Denn der Chef dieser Bank muß von der größtmöglichen Zahl von EU-Ländern akzeptiert werden – und seine Ernennung muß so offen wie möglich ablaufen. Der späte Versuch Frankreichs, Deutschland zur Absage an seinen Kandidaten Wim Duisenberg zu überreden, könnte der Legitimität der neuen Institution erheblichen Schaden zufügen.

Der Berliner „Tagesspiegel“ schreibt zum Streit um die Europäische Zentralbank: Die Position des Präsidenten der Europäischen Zentralbank ist in den Streit nationaler Eifersüchteleien geraten zwischen Bonn und Paris. An die Stelle der einst großen, wenn auch nie genau ausbuchstabierten Visionen, die beide Cheflenker an Rhein und Seine leitete und beflügelte, ist ängstliches Gefeilsche getreten. Kohls Bereitschaft, durch die Preisgabe der D-Mark die Bundesrepublik unumkehrbar auf den einzig richtigen, also auf den europäischen Weg festzulegen, ist in Paris gerne akzeptiert worden. Aber seit langem mußte man bezweifeln, ob Frankreich auch wirklich bereit ist, seine nationalen politischen Finger von der Geldpolitik einer Europäischen Zentralbank fernzuhalten. Der französische Schuß vor den Bug des hochangesehenen Favoriten Wim Duisenberg zielt in Wahrheit auf die verbriefte Unabhängigkeit einer Europäischen Notenbank.

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