■ Zur Koalitionskrise in Frankfurt am Main: Quo vadis, Genossen?
Das waren noch Zeiten, als auch die staatstragende Volkspartei SPD die scheinbar für alle Zeiten (fest-) gemauerte Systemfestung mit dem schlichten Verweis auf die mangelnde Politikfähigkeit und auf die angeblichen demokratischen Defizite der Grünen gegen den Ansturm der zur Partizipation an der Macht entschlossenen Ökopaxe zu verteidigen suchte. Und selbst als in Hessen 1985 die erste Bresche in die Systemfestung geschlagen war und Holger Börner (SPD) mit den Grünen koalierte, wurde von der SPD – fast täglich – die bedingungslose Erfüllung der rot- grünen Koalitionsvereinbarungen durch die Grünen eingeklagt.
Daß es dann die SPD selbst war, die mit ihrem Engagement für die Plutoniumfabrik ALKEM in Hanau diese Koalitionsvereinbarungen ignorierte, war der Anfang vom Ende der Legende von der fürsorglichen „alten Mutter“ SPD und ihrem Geschwätz von der Verfassungstreue als Koalitionsbedingung.
Heute sind offenbar die Grünen die „letzten Verfassungspatrioten“ (Joschka Fischer). Ob in der Asylpolitik, beim out-of-area-Einsatz der Bundeswehr oder bei der Inneren Sicherheit: Die SPD war und ist bereit, das bislang höchste Gut – die Verfassung – dort zu „korrigieren“, wo es (ihr) opportun erscheint. Und in der deutschen Wirtschaftsmetropole Frankfurt am Main ist die SPD dabei, sich endgültig von der ohnehin schlecht gespielten Rolle des „berechenbaren Koalitionspartners“ zu verabschieden: Die Schuldzuweisungen nach dem Desaster bei den letzten Kommunalwahlen in Hessen haben die Gräben zwischen den verfeindeten Lagern innerhalb der SPD in Frankfurt noch vertieft. Und die Erfolge der Grünen überall in Hessen – und erst vor wenigen Tagen in Hamburg – haben in roten Köpfen selbstzerstörerische Panikreaktionen provoziert. Auch in Wiesbaden glauben sozialdemokratische Minister inzwischen fest daran, mit gegen den Koalitionspartner gerichteten Provokationen verlorengegangenes politisches Profil zurückgewinnen zu können – zu Lasten der Außendarstellung der rot-grünen Regierung Eichel/Fischer. Quo vadis deutsche Sozialdemokratie? Hin zur großen Koalition auf Bundesebene? Oder ist das alles nur sozialdemokratisches Mißmanagement in schlimmen Zeiten unter einem profillosen Bundesvorsitzenden? Klaus-Peter Klingelschmitt
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