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Archiv-Artikel

Zur Hölle mit dem Patriotismus

US-Torhüter Kasey Keller hat die ewige P-Frage satt. Er will lieber über das Spiel heute gegen Tschechien reden

aus HAMBURG ANDREAS RÜTTENAUER

Er verdreht nicht die Augen. Er antwortet höflich und ausführlich auf die P-Frage. Lieber würde er, das ist ihm anzusehen, über Sport reden, über den flatterhaften WM-Ball etwa. Aber nein. Er wurde nach seinen patriotischen Gefühlen gefragt. Natürlich sei er Patriot, sagt Kasey Keller, der Torwart des US-Soccer-Teams, und stolz, für die USA spielen zu dürfen. Als Beleg führt er seinen amerikanischen Akzent an. „Zwölf Jahre habe ich in England gespielt, aber diesen harten Akzent, den habe ich mir nicht angewöhnt“, sagt er.

Auch Bruce Arena, der Trainer der USA, muss die P-Frage beantworten. Mit kurzen Hosen sitzt er beim Medientag im Mannschaftshotel in der Hamburger Innenstadt neben seiner Nummer eins und antwortet routiniert. Selbstverständlich sei auch er überzeugter Patriot, eher liberal als konservativ, aber eben heimatverbunden. „Ich unterstütze unsere Truppen“, fügt er seinem Bekenntnis an. Arena hat die P-Frage regelmäßig beantwortet. Er lebt in den Staaten, Keller seit 1990 in Europa.

Der 36-jährige Torhüter, der in der Winterpause der Saison 2004/05 von Tottenham Hotspur zu Borussia Mönchengladbach gewechselt ist, ist ein Mann für spektakuläre Paraden, einer der wegen seiner „Big Saves“ bei den Fans beinahe aller Klubs, für die er gespielt hat, zum Publikumsliebling geworden ist. Er lebt von seiner Reaktionsschnelligkeit. Natürlich weiß er, mit wem er es heute (18 Uhr, Gelsenkirchen) zu tun haben wird, wenn die USA ihr Auftaktspiel gegen Tschechien bestreiten. „Baros, Koller, Rosicky, Nedved: Das sind alles Superstars“, weiß er. Angst flößen sie ihm nicht ein. „Ich habe mich nicht damit beschäftigt, wann einer in einer bestimmten Situation in welche Ecke zu schießen pflegt. Mein Ding ist es, zu reagieren.“ Keller ist sich sicher, dass er der Aufgabe gewachsen ist.

Ob seine Vorderleute mit den Tschechen mithalten können, das hänge, so Keller, stark von der Tagesform ab. Wenn alles gut läuft, dann könnten die USA jeden Gegner schlagen. Es könnte gut sein, dass sein Team mehr als einen guten Tag erwischen muss, um weiterzukommen. Ghana und Italien heißen die anderen Gruppengegner. Keller klagt nicht über die schwere Auslosung. Er sieht sie als Herausforderung. Vor vier Jahren schieden die USA erst im Viertelfinale gegen Deutschland aus. Seitdem schwärmt Bruce Arena von den Möglichkeiten des US-Fußballs. „Wir spielen zwar noch nicht um den Worldcup mit, aber wir sind auf einem guten Weg.“ Die Liga sei besser denn je, in Chicago sei gerade ein neues Stadion fertig gestellt worden, und Nachwuchs gebe es ohnehin genügend. Ein Vorrundenaus würde der Glaubwürdigkeit der Legende vom stetigen Aufschwung des Soccer einen gewaltigen Schaden zufügen.

Keller weiß das und spricht vom Druck, der auf der Mannschaft lastet. Er fordert mehr Respekt für den US-Fußball. Er weiß, dass diese Forderung lächerlich wirken würde, wenn seine Mannschaft in der Vorrunde sang- und klanglos ausscheiden würde. Jetzt erntet er noch Verständnis für Sätze wie: „Wenn ein Giovanni van Bronckhorst in England scheitert, dann bekommt er eine zweite Chance und wird ein Superstar in Barcelona. Wenn ein Amerikaner bei Arsenal scheitert, dann kann er nur noch für die New Jersey MetroStars spielen.“ Oder Sätze wie: „Argentinien hat 5.000 Fußballer nach Europa exportiert, da war sicher so manch Kracher dabei, aber es war doch nicht jeder besser als ein guter Amerikaner.“

Dann winkt er ab und redet wieder über den WM-Ball. Darüber, dass Weitschüsse so gefährlich sind und es das Wichtigste sei, den Ball – wenn man ihn schon nicht festhalten kann – wenigstens zur Seite abprallen zu lassen. Bruce Arena sitzt neben ihm und grinst: „Torhüter mögen Bälle nie.“ Er muss es wissen. Er war selbst Keeper.