■ Zum „personellen Turn-around“ bei der SPD : Rosarote Brille ablegen
betr.: „Schröder macht halblang“ u. a., taz vom 7. 2. 04, „Ein Kumpel für den Kanzler“ (Die SPD generalüberholt) u. a., taz vom 9. 2. 04
Politik + Wirtschaft = rosige Zukunft in ruhiger Hand. Sollten die großen Macher nicht langsam die rosarote Brille ablegen, sich besinnen, dass in Deutschland nur ein hungerndes Kind die Katastrophe macht? Unser Nachwuchs sieht schon lange durch 3D-Brillen. Der Blickwinkel dieser Generation schafft Raum und Zeit für intelligente Problemanalyse: Hunger + Durst + Kälte + Klima = krank. Eine kranke Gesellschaft hat keine Zukunft. Hunger entsteht im Kopf und kann tatsächlich nur dort gestillt werden. Durst ist die Sehnsucht nach einem Schluck Wasser aus einer unberührten Bergquelle, um wenigstens einmal zu erleben, was Wasser heißt. Kälte spüren wir alle bei dem Gedanken, dass es heute schon Menschen gibt, die sich das Recht nehmen, uns morgen den Strom abzustellen. Klima machen wir alle zusammen und jeder Einzelne. Krankheit ist die riesige Angst vor einem langen Ende. Wegschauen + Schönreden = Feigheit.
CHRISTINA HEISE, Liepgarten
Die FROG (Friends of Gerd) werden weniger – und nicht besser. Selbst drei unkritische taz-Berichtsseiten SPD können den Status einer abgewirtschafteten ursprünglich sozial-demokratischen Partei nicht aufpolieren. Ein alter „Münte“, ein müder „Gerd“ – zusammen mit verbrauchten Parteisoldaten – da greift ein alter DDR-Witz: Was unterscheidet das ZK der SED von einer Kaffeemaschine? Kaffeemaschinen kann man entkalken.
Macht sie zu, die Partei. 650.000 Mitglieder – das sind 8 Promille der Bevölkerung – sollten nicht mehr länger den Rahmen für die demokratische Regierung eines Landes bilden. Die Zeiten offensiver Arbeiterbewegung, der Parteilichkeit für Menschen, die ein Leben lang arbeiten müssen, die Unterstützung derjenigen, die am Gemeinwohl nicht mehr partizipieren können – das waren sozial-demokratische Tugenden. Die sind weg und der intellektuelle Öko-Ansatz der „besseren SPDler“ (so nennt man in Fachkreisen die Grünen wohl), hat auch keinen Wir-Gedanken mehr.
Wenn die SPD geht, gibt es kein Parteienvakuum. Ich bin überzeugt, dass etwas Sozial-Demokratisches neu erstarken kann.
WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen
betr.: „Neuer SPD-Chef: Disziplin bis 2010!“, taz vom 10. 2. 04
Es ist beinahe schon etwas drollig. Da wird Franz Müntefering zum neuen SPD-Parteivorsitzenden erkoren, und plötzlich scheint die Welt wieder in Ordnung zu kommen. Die NRW-SPD beispielsweise fordert Änderungen am Reformkurs (schließlich stehen Europa-, Kommunal- und Landtagswahlen an). Sogar der Grüne Christian Ströbele hofft plötzlich, dass Reformen zukünftig nicht mehr nur heißen soll, den (weniger begüterten) Bürgerinnen und Bürgern etwas wegzunehmen.
Bei so viel eitel Sonnenschein und Freude möchte ich vor dem Irrglauben warnen, es stünde ein politischer Richtungswechsel an. Volker Beck, parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, hat zu Recht gesagt, worum es geht: die so genannten Reformen, also der erfolgte und noch anstehende Sozialabbau sollen dem Volke besser nahe gebracht werden, und Franz Müntefering hat schon klar gemacht, dass der „Reformkurs“ bis 2010 fortgesetzt werden soll. Dabei werden die Ergebnisse dieses so genannten Reformkurses immer deutlicher: immer mehr Zumutungen und Belastungen für die finanziell Schwächeren und daraus resultierende gesellschaftliche Spaltungen und Ausgrenzungen, ablesbar zum Beispiel an Statistiken über steigende Sozialhilfe und Verschuldung von „normalen Familien“. Das Ganze vor dem Hintergrund, dass sich Acker- und sonstige -männer in Vorstands- oder Aufsichtsratsposten legal oder illegal Prämien in Millionenhöhe genehmigen können für erfolgreichen und profitablen Arbeitsplatzabbau! Es gibt also keinen Grund für die inner- und außerparlamentarische Opposition, die Hände in den Schoß zu legen. Nur durch gesellschaftlichen Widerstand, getragen von Gewerkschaften, Kirchen, sozialen Verbänden und Bürgerinitiativen, gibt es überhaupt eine Chance wieder zu mehr sozialer Gerechtigkeit zurückzufinden.
HEINZ-DIETER SIMON, Menden