■ Zum Urteil des BVG: Rückzugsgefechte des Föderalismus: Rundfunk war Ländersache
Jetzt haben es die Länder schwarz auf weiß: die Bundesregierung hat mit ihrer Zustimmung zur EU- Rundfunkrichtlinie die Rechte der Länder verletzt. Der Bund hätte mehr auf das abweichende Votum der Länder hören müssen. Natürlich sehen die Länder in diesem Verfassungsgerichtsurteil einen „Sieg des Föderalismus“. Aber: Es ist ein schwacher Sieg in einem Rückzugsgefecht. Denn was ist das für ein Föderalismus, bei dem nicht mehr die demokratisch gewählten Landtage in öffentlicher Debatte beschließen, welche Medienpolitik in ihren Bundesländern gemacht werden soll? „Sieg des Föderalismus“, das heißt heute, daß sich die 15 Landesregierungen intern einigen dürfen, um dann mit der Bundesregierung (wiederum intern) eine gemeinsame Position des Gesamtstaates auszuhandeln, die dann (auch hier: nicht öffentlich) in die Debatten des EG-Ministerrates und seiner Vorbereitungsgremien einfließen können. Die Essenz des Verfassungsgerichtsurteils: Alle müssen ständig mit allen reden.
Der seine Angelegenheiten selbst regulierende Föderalismus wird dabei zu einem Föderalismus, der mittels gewisser Verfahrensrechte höheren Ortes mitwirken darf. Wenn anstelle der Landesparlamente nunmehr nur noch MinisterInnen, StaatssekretärInnen und BeamtInnen agieren, ist auch das nicht gerade ein Beleg für das Gewicht der vielbeschworenen „Eigenstaatlichkeit“ der Länder. Angedeutet hat sich dies schon lange, schließlich bestand die Medienpolitik der Länder ja auch schon im voreuropäischen Medienzeitalter vor allem im Abschluß von Länderstaatsverträgen.
Und noch etwas: Der jetzt abgeschlossene Verfassungsstreit war einer ums Prinzip, nicht um die Sache. Die Diskussion über eine Mindestquote für europäische Fernsehprogramme betraf letztlich nur eine Detailfrage der Richtlinien. Mit der großen Linie des „Fernsehens ohne Grenzen“, also der freien Weiterleitung ausländischer Programme, falls diese bestimmten Mindestbedingungen genügen, waren die Länder völlig einverstanden. Allein sie hätten das Ganze lieber als völkerrechtlichen Vertrag im Rahmen des Europarates gesehen und nicht als supranationale EG-Richtlinie. Das aber sind juristische Feinheiten, mehr nicht. Eigentlich haben auch die Länder begriffen: Medienpolitik kann heute nicht mehr sinnvoll auf Landesebene gemacht werden.
Erst recht gilt dies für die Schaffung einer weltweiten „Informationsgesellschaft“. Diese durch einen gemeinsamen Kanal zusammengehaltenen Multi- Media-Dienstleistungen von video-on-demand bis tele-home-banking haben durchaus auch eine Menge mit Medienpolitik zu tun. Aber es ist kein Zufall, daß über diese Entwicklungen jüngst in der Runde der G7-Industrieländer diskutiert wurde. Schon ein Versuch der Europäischen Union, hier die Standards allein zu bestimmen, wäre hochgradig anachronistisch. Mal sehen, wie die Länder auf der globalen Datenautobahn versuchen werden, ihr heißgeliebtes Subsidiaritätsprinzip zur Geltung zu bringen... Christian Rath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen