■ Zum Report: Der genetische Fingerabdruck : Mein DNA-Profil gehört mir
betr.: „Die Angst vor dem DNA-Profil“ von Christian Rath, taz vom 23. 6. 03
Eine DNA-Registrierung, da stimme ich mit Professor Hamm überein, besagt häufig gar nichts über eine Täterschaft, nicht einmal, ob jemand wirklich am Tatort war.
Bei Sprayern wird jetzt zunehmend auch eine DNA-Registrierung vorgenommen. Aber was besagt schon ein Handschuh an einem Tatort, wenn die Person dort gar nicht anzutreffen war? Das beste Beispiel über die Beweiskraft einer DNA lieferte ein Straftäter, der nachweislich im Hochsicherheitstrakt von Göttingen einsaß, während zeitgleich eine Frau in Hannover ermordet wurde, bei der man dessen DNA an ihrem Fahrrad feststellte. Sein Glück war das bombenfeste Alibi.
Bei Sexualstraftaten, Gewalttaten oder Mord & Totschlag macht es Sinn, aber bei jedem kleinen Eierdieb? Lächerlich!
BARBARA UDUWERELLA, Hamburg
Noch vor wenigen Jahren wurde behauptet, dass über den nicht kodierten Bereich keine körperlichen Merkmale zu erfahren sind. Nun wird in England schon die Haar- und Augenfarbe festgestellt. Damit ist das DNA-Profil kein einfacher Zahlencode mehr. Christian Rath fragt sich, warum Krankheiten oder Erbanlagen gespeichert werden sollten. Weil die Polizei alles speichern möchte, was wissenswert ist, und derartige Erkenntnisse tragen zur Erstellung eines Phantombildes bei. Die Frage muss doch lauten, warum will der Staat in die Grundrechte so vieler Menschen durch Datenspeicherung eingreifen? Eine schlüssige Erklärung dafür liefert er nicht. Es ist genauso wenig ein Grund, von jedem Ladendieb ein DNA-Profil zu erstellen, nur weil viele Sexualtäter Ladendiebstähle begangen haben, wie es kein Grund ist, das DNA-Profil aller Männer zu erstellen, nur weil sie potenzielle Sexualstraftäter sind. Schon oft habe ich erfahren müssen, dass Polizei und Justiz die rechtlichen Grenzen sehr freizügig auslegen. Der Richtervorbehalt verkam zur Makulatur, indem die Richter fast jeden Beschluss unterschreiben oder die Betroffenen zur freiwilligen Speichelprobe und Datenspeicherung überredet werden.
Jede DNA-Analyse kostet etwa 100 Euro. Geld, das oftmals sinnvoller in die Prävention investiert würde. Bei der Euphorie für die DNA-Datei wird vielfach vergessen, dass nicht jeder Treffer gleichbedeutend mit einer bewiesenen Straftat ist. Es kommt eben auch auf die Historie der Spur an. DNA-Material ist überall zu finden, und eine falsche Spur ist schnell gelegt. In den Zeiten zunehmender Technisierung ist besonders auf die Notwendigkeiten von Rechtseingriffen zu achten, denn ebenso schnell, wie das DNA-Profil von Kleinkriminellen erstellt ist, können sich DemonstrantInnen und politisch anders Denkende in der Datei wiederfinden. Die DNA-Datei ist eine sinnvolle Einrichtung, und die DNA-Analyse stellt einen Meilenstein in der Kriminalistik dar. Sie birgt aber auch die Gefahr des gläsernen Menschen, denn schon heute dürfen die so genannten Sicherheitsbehörden zu vielfältig in die Grundrechte eingreifen. Damit besteht die Gefahr, dass das gute Gefühl für Freiheit und Demokratie verloren geht, weil viele Eingriffe unbemerkt für den Betroffenen stattfinden.
JÜRGEN KORELL, Wiesbaden
Ach, jetzt bin ich aber erleichtert! Hatte ich fortschrittskritisches kleines Dummchen doch bisher befürchtet, die Speicherung des DNA-Profils sei ein weiterer Schritt zur Komplettierung des gläsernen Bürgers, so hat mich C. Rath nun eines Besseren belehrt.
Ich brauche mir also als bisher Unbescholtener keine Gedanken darüber zu machen, ob mein genetischer Fingerabdruck nicht doch mal zufällig beim BKA landet, solange ich mich nicht an „belebten Tatorten“ aufhalte oder zum notorischen Kleinkriminellen (fällt darunter eigentlich auch Schwarzfahren oder Falschparken?) mutiere. Und selbst wenn – Herrn Rath zufolge gibt es ja keinen Anlass, Details über „Krankheiten oder Charaktereigenschaften“ über DNA-Profil zu ermitteln (selbst wenn das technisch irgendwann bestimmt mal möglich ist). Den lieben Leuten vom BKA geht’s ja nur darum, möglichst fix Verbrechen aufklären zu können. Keiner käme je auf die Idee, das Umfeld eines gentechnisch Erfassten auf weiter gehende persönliche Details abzuklopfen, auf Krankheiten und Charaktereigenschaften zum Beispiel oder auf die politische Einstellung. Und selbst wenn – wer sich nach der Erfassung ein paar Jahre lang schön unauffällig verhält, dessen Eintrag in die Gendatei wird dann ja auch ganz bestimmt wieder gelöscht (wie kann das nachgewiesen werden?)
Alles also kein Grund zur Sorge – warum regen sich diese Angsthasen bei den Grünen und beim Datenschutz eigentlich so auf? Vielleicht deshalb: Mein genetischer Code ist der Urgrund meiner Persönlichkeit. Gerade weil ich nichts zu verbergen habe, nehme ich das Recht auf Anonymität in Anspruch und weigere mich, diesen „hochindustriellen Zahlencode“ jemandem preiszugeben. Das gilt auch für so genannte „freiwillige“ Speicheltests.
FRANK PÖRSCHKE, Hattingen
Es ist zwar nicht zu leugnen, dass der genetische Fingerabdruck auch nur ein weiteres Merkmal ist, was uns identifizierbar macht und damit in die Reihe von Fotos, Handschriften etc. eingereiht werden kann. Der Unterschied, welcher hier sträflich vernachlässigt wird, ist die größere Gefahr unschuldig in Verdacht zu geraten. Um einen Fingerabdruck oder sonstige Spuren zu hinterlassen, muss man sich schon an einem Tatort relativ intensiv aufgehalten haben. Die Anzahl an Hautzellen und Haaren, die jeder Mensch täglich verliert und die leichte Verschleppbarkeit (auch an mögliche Tatorte) machen die genetische Identifizierung erheblich störanfälliger für Falschverdächtigungen. Den Fall des mutwilligen Legens falscher Spuren durch den Täter mal ganz ausblendend, ist dies ein so großes Risiko, dass der genetische Fingerabdruck und seine groß angelegte Erfassung und Speicherung im Sinne der Verhältnismäßigkeit nicht zu befürworten ist.
AXEL LINNEWERTH, Bochum
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