■ Zum Internationalen Frauentag: Quatsch mit lila Soße
Jedes Jahr dasselbe Theater. Rund um den Internationalen Frauentag lassen sich Frauen unter sanft säuselndem Zureden auf die politische Bühne zerren: Einen Tag im Jahr sollen sie auch eine Rolle spielen, gelle? Sie werden zu Talkshows und Podiumsdiskussionen geladen, sie dürfen demonstrieren und brav die Fäuste recken, sie sind Objekt zahlreicher, von leidenschaftlichem Timbre zitternder Festreden. Am 8. März, Tag der internationalen Buße für die Sünden des Patriarchats, treten Politiker wie in der Lenor-Reklame neben sich und bekennen ihr schlechtes Gewissen. Eiapopeia, ist doch alles gar nicht so schlimm.
Ein Frauentag neben 364 unproklamierten Männertagen im Jahr – das führt neben der hoffnungslosen moralischen auch zu einer hoffnungslosen praktischen Überlastung. Im laufenden Jahr verstehen sich die Herren längst prächtig auf die Kunst, jeden Ansatz von Geschlechterkampf zu verwässern, zu versülzen, einzuwickeln und auf den Frauentag abzuschieben. Wenn der März dann drohend herannaht, beeilen sich Bezirke, Behörden, Betriebe, Parteien und was sich sonst noch für unersetzlich hält, Veranstaltungen zur Frauenkunst in Hinterindien und zur Gleichstellung der Ampelanlagen vor Frauenhäusern zu organisieren. Erster unschätzbarer Vorteil: An jenem Tag dürfen sich die Weiber dann öffentlich über all jene „Frauenprobleme“ beklagen, die in Wirklichkeit Geschlechter-, wenn nicht Männerprobleme sind. Die Täter aber können bei einem ruhigen Fernsehabend zu Hause Bauchpflege mit Bier und Chips betreiben. Zweiter enormer Vorteil: Jedes Jahr aufs neue nehmen sich die Veranstaltungen und Demonstrationen gegenseitig das Publikum weg – die mittelmäßig vielen Frauen und die raren interessierten Männer. Und schon sieht es dann wieder so aus, als ob Frauenpolitik und Feminismus keine Sau interessiert. Ute Scheub
Eine Übersicht über die Veranstaltungen auf Seite 44
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