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Zukunft der linken Tageszeitung taz Zum Optimismus verpflichtet

Am 17.10.2025 stellt die taz das Drucken an Werktagen ein, auch um weiter am Wochenende Drucken zu können. Wird das wirtschaftlich gutgehen? Die taz-Geschäftsführung sieht die Sache zuversichtlich.

Kritische Berufsoptimisten: die taz-Geschäftsführer:innen Aline Lüllmann und Anreas Marggraf Foto: Patrycia Lukaszewicz für die taz

Aus der taz | Wenn Produktion und Vertrieb auf dem alten Weg nicht mehr zu finanzieren sind, braucht es neue Ideen für die Zeitung. Das wissen wir als Geschäftsführung der taz seit Langem. Diese aber werden nicht einfach ersonnen und direkt umgesetzt. Es braucht eine lange Zeit der Planung, des Abwägens, des Vorbereitens.

Ganz viel davon passiert im Kopf. Können wir uns überhaupt vorstellen, ein anderes Produkt als eine gedruckte Zeitung zu machen? Wer sind wir dann – als taz? Was verändert sich an Arbeitsweise und Selbstwahrnehmung, wenn die werktägliche Zeitung digital wird, während die wochentaz weiterhin gedruckt und digital erscheint?

„Wir mussten die Einsicht gewinnen, dass wir in der Medienkrise keine andere Wahl hatten und haben“

Den Veränderungsschmerz konnten wir anfangs gut beobachten – bei Kol­le­g*in­nen wie bei Leser*innen. Auch uns wird die gedruckte Tageszeitung fehlen: das Papierrascheln, die Kaffeeflecken auf der Zeitung und die auf dem Küchentisch ausgebreiteten Seiten.

Als Geschäftsführung haben wir von Anfang an die Chancen betont, manchmal sogar, obwohl wir selbst eher von Hoffnung als von Datengrundlagen getrieben waren. Auf unsere Sicht der medienökonomische Lage kommt es als Geschäftsführung in diesem Veränderungsprozess aber nicht so sehr an.

Zukunft planen ohne Vorbilder

Was zählt, ist, dass unsere Mitverlegenden – die Ge­nos­s*in­nen –, die Le­se­nden und die Redaktion der taz diese Schritte für plausibel halten. Wir mussten die Einsicht gewinnen, dass wir in der Medienkrise keine andere Wahl hatten und haben – und für diese ökonomischen und vertrieblichen Umstände Antworten zu finden hatten.

Positive Vorbilder in der Medienlandschaft, an denen wir uns hätten orientieren können, gab es nicht. Zwar haben einzelne Zeitungen in bestimmten Regionen die Zustellung auf digitale Wege umgestellt – aber der Schritt, den wir jetzt gehen, ist ein anderer. Ein größerer. Ein einzigartiger.

Eher erreichen uns Anfragen und ehrfürchtig staunende Blicke: Ihr wagt das wirklich? Meist voller Bewunderung erklären andere Verlagsleiter*innen, dass so ein Schritt wohl nur der taz zuzutrauen sei.

Optimismus ist erlaubt

Ja, all das spielt sicher eine Rolle. Unsere Artikel sind nicht so leicht ersetzbar. Aber was oft unterschätzt wird: Es ist ein Move des ganzen Hauses, ein Kraftakt.

Über Jahre hinweg wurden neue Produkte und Erscheinungsformen entwickelt – während gleichzeitig die geliebte Papierzeitung ohne Qualitätsverlust weiter produziert wurde. Wir haben gerungen: Welche Aufgaben müssen abgeschlossen sein? Wie viele Abos brauchen wir, um souverän zu existieren? Welche Funktionen in der App müssen unbedingt fertig sein, damit wir eine Chance haben, unsere Le­se­r*in­nen zu überzeugen – und den Umstieg ohne große finanzielle Einbußen zu schaffen?

Jetzt sind wir so weit. Beziehungsweise: bald. Nun – dreieinhalb Monate vor dem großen Schritt – sehen wir aber schon: Selbst auf Grundlage der Zahlen haben wir hinlänglich Grund für einen gewissen Optimismus. Die Entwicklung der Zukunftsabos liegt leicht über Plan, selbst die bis Oktober verbleibenden Printabos sind zahlreicher als erwartet. Das ist wichtig und wertvoll – denn sie bilden die Ausgangsbasis für die Umwandlung.

Rückendeckung der Leser:innen

Uns haben unzählige Zuschriften und Anrufe erreicht. Viele Le­se­r*in­nen wollen den Schritt mit uns ­gehen. Nicht immer voller Begeisterung, aber doch mit tiefsitzender Überzeugung. Das heißt zwar nicht, dass das ein Selbstläufer wird.

Es gibt bereits viele Leser*innen, die sich verpflichtet haben, auch nach der Seitenwende dabeizubleiben. Aber es haben sich auch viele noch gar nicht gemeldet, und die Rückmeldungen sind lange nicht hinreichend, um die taz in der jetzigen Stärke weiterzuführen. Aber es sind bereits so viele, dass wir auf dieser Basis weiter aufbauen können.

Und auch wenn die finale Rechnung nicht direkt im Oktober 2025 gemacht werden kann – sondern erst im Frühjahr 2026, wenn sich zeigt, wie viele der Um­wand­le­r*in­nen auch langfristig bleiben –, blicken wir schon jetzt etwas ruhiger auf diese Zeit. Denn: Wir sind wahrlich auf dem richtigen Weg. Und wir sehen es schimmern – das Licht des Erfolges.

🐾 Aline Lüllmann und Andreas Marggraf führen die Geschäfte der taz und sind also aus beruflichen Gründen zu kritischem Optimismus verpflichtet.