Zonen des freien Denkens

Vor dem Sportausschuss des Bundestages formuliert der Deutsche Olympische Sportbund seine Benimmregeln für mündige Sportler. Doch das letzte Wort hat wie immer das Internationale Olympische Komitee, demnächst dann mal

BERLIN taz ■ Der Sportausschuss nahm sie wohlwollend entgegen, die Bändchen des ehemaligen Kanuslalomspezialisten Stefan Pfannmöller. Der Betreiber der Internetplattform „Netzathleten“ hat in Taiwan eine größere Charge Gummi-Armbänder mit der Aufschrift „Sports for Human Rights“ bestellt und ein paar davon am Mittwoch an die Mitglieder des Gremiums verteilt.

Winfried Hermann von den Grünen hatte sich gleich drei Stück geschnappt, eines baumelte an seinem Mikrofon, was der FDP-Politiker Detlef Parr ganz „albern“ fand. Leise grummelte der ältere Herr mit dem Schnurrbart: „Also das sind die Symbole, die unsere Probleme lösen können, abenteuerlich.“ Empört ruckelte er auf seinem Sitz herum. Parr unterstellte Pfannmöller überdies finanzielle Interessen bei seiner Bändchen-Aktion, denn er sei ja beim „PR-Wettlauf“ zum Themenkomplex „Olympische Spiele und Menschenrechte“ ganz offensichtlich auf den vorderen Rängen gelandet.

Das immerhin kann man vom Deutschen Olympischen Sport-Bund (DOSB) nicht recht behaupten. Weil der Verband bis heute keine klaren Regeln formuliert hat, wie sich Olympioniken in Peking denn nun als „mündige Sportler“ verhalten und inwieweit sie ihre Meinung etwa zur Lage in Tibet äußern dürfen, hatte der Sportausschuss den DOSB-Generaldirektor Michael Vesper nach Berlin ins Paul-Löbe-Haus geladen. Vesper, realpolitisches Urgestein der Grünen, verwies auf die sogenannten Guidelines des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die „Ende April oder Anfang Mai“ herauskommen sollen, so etwas wie sportpolitische Benimmregeln für den orientierungslosen Athleten.

Vesper geht davon aus, dass freie Meinungsäußerungen während der Pressekonferenzen, im Deutschen Haus und auch in der Mixed Zone möglich sein werden, wenngleich DOSB-Athletensprecher Christian Breuer über die Kontaktzone von Sportlern und Journalisten sagte: „Aber hier sollten eigentlich keine weltpolitischen Lösungen gesucht, sondern der Sportler zu seinen Erfolgen befragt werden.“ Vesper sagte: „Jeder Athlet wird sich in Peking äußern dürfen – auf der Grundlage der Information, die ich gerade gegeben habe.“ Im Stadion ist der Athlet also per Dekret unpolitisch, in bestimmten Bereichen darf er seinen Verstand dann wieder einschalten. Breuer schlug vor, dass mit dem Einscannen der Akkreditierung der Sportler zum Schweiger wird. „Wir hätten also einen politischen und einen unpolitischen Bereich.“

Eine grobe Richtlinie hat das IOC bereits in den 60er-Jahren erlassen, den Artikel 51 der IOC-Charta. Verboten ist jede „Form von Werbung oder Propaganda, kommerzieller oder anderer Art“. Dies darf weder „auf Personen, Sportkleidung noch Zubehör oder irgendeinem getragenen Kleidungs- oder Ausrüstungsgegenstand erscheinen, mit Ausnahme der Kennzeichnung des Herstellers“. Und weiter: „Jeder Verstoß kann die Disqualifikation und den Entzug der Akkreditierung nach sich ziehen.“

Sind somit auch Pfannmöllers Bändchen verboten? Winfried Hermann fordert: nein. Denn „zwischen Propaganda und grundlegenden Einsichten der zivilisierten Welt“ müsse man unterscheiden. MARKUS VÖLKER