piwik no script img

ZigarettenkonsumDer Tabak sucht sich neue Frauen

Erst rauchten nur Künstlerinnen, dann wandte sich die Tabakindustrie allen selbstbewussten Frauen zu. Heute qualmen besonders viele Frauen mit geringer Bildung.

Einst stand die Zigarette für Glamour - wie hier, im Mund von Romy Schneider. Bild: dpa

Margaretha Haglund war fit, selbstbewusst und gut ausgebildet. Eine junge Akademikerin im Schweden der Siebzigerjahre. Dazu gehörte auch, dass sie rauchte. "Ich wollte Stärke demonstrieren", sagt sie. Als sie mit 27 Jahren schwanger wurde, befasste sie sich mit den Risiken des Rauchens. Sie las und fragte, und am Ende fühlte sie sich reingelegt vom Versprechen der Zigarettenfirmen.

Inzwischen ist Haglund 60 Jahre alt, Chefberaterin am schwedischen Nationalen Institut für Volksgesundheit und hat vermutlich gehörig dazu beigetragen, dass der Anteil der Frauen am Zigarettenkonsum ihres Landes zwischen 1970 und 2001 um satte 30 Prozent gesunken ist. Deutsche Drogenbeauftragte und Mediziner hätten solche Zahlen auch gern. "Wenn Frauen rauchen wie Männer, dann sterben sie auch wie Männer", heißt es in einem Report, den das Deutsche Krebsforschungszentrum am Dienstag vorgelegt hat. Möglicherweise werde sich die bisher fünf bis sechs Jahre höhere Lebenserwartung von Frauen denen der Männer angleichen - wegen des Rauchens. So sei die Lungenkrebsrate bei Frauen in den vergangenen zehn Jahren stetig gestiegen.

Anfang des 20. Jahrhunderts rauchten unter den Frauen allenfalls Künstlerinnen. Den Massenkonsum der Zigarette beförderten die Weltkriege, in denen die Soldaten mit Zigaretten versorgt wurden: Männer. Nach 1945 entdeckte die Tabakindustrie die Frauen. Sie warb mit Motiven, die Glamour und Schönheit ausstrahlten. Philip Morris brachte 1968 für Frauen die "Virginia Slims" auf den Markt und hängte sich an den Wunsch nach Gleichberechtigung von Mann und Frau. Eine Annonce zeigte im Hintergrund das historische Bild eines Heimchens beim Wäscheaufhängen. Im Vordergrund aber warf sich eine selbstbewusste Traumfrau in Pose: "Youve come a long way, baby", stand anerkennend darunter: "Bist einen weiten Weg gegangen."

Der Erfolg trat ein. Nach Daten des Krebsforschungszentrums stieg und stieg die Zahl der Raucherinnen in Deutschland bis 2003. Seitdem geht der Tabakkonsum insgesamt zurück. Allerdings falle das Aussteigen Frauen schwerer, besonders, wenn sie schon lange rauchen: 70 Prozent der ausstiegswilligen Männer gelingt die Entwöhnung, aber nur 50 Prozent der Frauen. Dies wird unter anderem mit Ängsten von Frauen erklärt, dick zu werden.

Deutsche Mediziner wollen nun das Rezept der Schweden kopieren: Wenn die Tabakindustrie Frauen spezifisch anspricht, so lautete vor Jahren Margaretha Haglunds Überlegung, dann müssen wir das auch tun. Mit Hilfe einer Freundin, die bei einem Frauenmagazin arbeitete, gewann sie die Medien. Emanzipierten Frauen setzte sie einen Slogan vor: "Du kriegst den Mund nicht auf, wenn du eine Zigarette drin hast."

Jedoch ist heute die Raucherinnenquote bei gebildeten, erfolgreichen Frauen nicht mehr so hoch. Der Tabak ist durch die Schichten gewandert - in Schweden wie in Deutschland. "Frauen mit Hauptschulabschluss rauchen häufiger als Frauen mit Abitur", schreibt das Krebsforschungszentrum. Zudem fällt auf: Geschiedene qualmen viel häufiger als Ledige oder Verheiratete. Bei Geschiedenen mit Hauptschulabschluss liegt die Raucherquote bei 75 Prozent.

"Wir müssen Krankenschwestern, Arzthelferinnen und Hebammen ansprechen, weil die Frauen aus bildungsfernen Schichten beraten können", sagt Martina Pötschke-Langer vom Krebsforschungszentrum.

So hat es auch Margaretha Haglund gemacht. Sie verbündete sich sogar mit dem Organisator einer Schönheitskonkurrenz. Ab 1995 war Miss Schweden zugleich Miss Rauchfrei.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!