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Archiv-Artikel

Zentrumspartei hat nicht gelitten

betr.: „Wird Berlin nun Weimar?“ von J. Busche, taz vom 20. 9. 05

Es nervt mich, dass gelegentlich auch die taz unwahre Geschichtslegenden wider besseres Wissen (?) übernimmt: „Die Feinde der Weimarer Republik waren die Nationalisten und die Kommunisten. Kompromisslose Verteidiger der Republik waren von Anfang an die Sozialdemokraten und die Zentrumspartei, (…) die im Kaiserreich die Bevölkerungsgruppen vertraten, die unterprivilegiert waren und verfolgt wurden.“

Lassen wir die SPD mal außen vor mit ihrer Unterstützungspolitik der kaiserlichen Kriegspolitik im Kaiserreich. Grotesk ist Busches Fehleinschätzung des Zentrums: die haben nun wirklich weder im Kaiserreich noch in der Weimarer Republik gelitten oder waren gar „verfolgt“. Die große Bewährungsprobe für Recht und Demokratie war 1933 nach der Regierungsübertragung an Hitler die Parlamentsabstimmung zum Ermächtigungsgesetz: dieser expliziten Beschlussfassung zur Abschaffung des Weimarer Rechtsstaates und der Machtübertragung an die Nazis stimmte die Zentrumspartei geschlossen zu. Die SPD-Mitglieder stimmten dagegen. Als später wieder besonders prominentes Mitglied der Zentrumspartei, die Hitler die Republik zu Füßen legte und gleichzeitig kein einziges Wort zur damals bereits erfolgten Verhaftung sämtlicher gewählter kommunistischer Abgeordneter fanden, ist uns der erste Bundespräsident Theodor Heuss bekannt. Ideologie und Wahrheit sollten wenigstens bei der taz nicht so weit auseinander klaffen, dass man die aktiven Beseitiger der Demokratie 1933 nicht zum Hohn der wirklich Verfolgten zu Opfern erklärt. Das Zentrum und seine Abgeordneten waren zusammen mit den Nationalisten in großer Geschlossenheit die Exekutoren der Abschaffung der Weimarer Republik und ihres Gesetzgebungsorgans. ULRICH KYPKE, Hamburg