Zensur im Iran: „Happy“-Tänzer auf Kaution frei
„Hallo, ich bin wieder da!“ Die von der iranischen Sittenpolizei festgenommenen tanzenden Jugendlichen sind wieder frei. Laut Polizei bereuen sie ihr Video.
TEHERAN dpa | Die sechs im Iran wegen eines Youtube-Videos festgenommenen Männer und Frauen sind wieder frei. Sie seien am Mittwochabend auf Kaution freigekommen, schrieb die Menschenrechtsorganisation ICHRI beim Kurznachrichtendienst Twitter. Nur der Macher des Videos, in dem die Jugendlichen zu dem weltweit populären Lied „Happy“ von Pharell Williams getanzt hatten, befinde sich noch in Haft.
Eine der Tänzerinnen, die Fotografin Reihane Taravati, postete ein Bild mit dem Titel „Hallo, ich bin wieder da!“ auf dem Fotodienst Instagram, in dem sie allen dankte, die sich für ihre Freilassung eingesetzt hatten. Den drei Männern und drei unverschleierten Frauen wird sittenwidriges Verhalten vorgeworfen. Eine offizielle Bestätigung der Freilassungen gab es zunächst nicht.
„Happy“-Sänger Pharrell Williams kritisierte die Festnahmen: „Es ist mehr als traurig, dass diese Kids für den Versuch verhaftet wurden, Freude zu verbreiten“, schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Mit seinem Dauer-Ohrwurm hat Williams einen globalen Hit geschaffen. Menschen aus allen Teilen der Welt drehten Videos zu dem Lied und stellten sie online. Bei Twitter wurde umgehend der Hashtag #FreeHappyIranians zur Unterstützung der Jugendlichen eingerichtet.
Empfohlener externer Inhalt
Auch der iranische Präsident Hassan Ruhani sprach sich gegen die Festnahmen aus. Auf seiner Twitter-Seite wurde am Donnerstag ein Zitat Ruhanis vom letzten Jahr veröffentlicht. „Happy zu sein, ist das Recht der Menschen“, so der Tweet. Das islamische Establishment sollte daher nicht zu streng sein mit Jugendlichen, die lediglich ihre Freude zum Ausdruck bringen wollten, meinte der Präsident, der sich derzeit in Shanghai aufhält.
Der Tanz und das Video seien nach Ansicht der Sittenwächter eine „kriminelle Tat“. Alle sechs Mitwirkenden hätten die Tat bereut, teilte ein Polizeisprecher mit. Der Clip sollte ein Casting für eine Rolle in einem Spielfilm sein und nicht auf Youtube gestellt werden, wurden sie vom Staatsfernsehen zitiert. Der Zugang zu Youtube ist im Iran ebenfalls gesperrt.
Diskussionen gibt es in der Zwischenzeit auch über den rechtlichen Status des Falles. Nach iranischen Gesetzen sind gemeinsamer Tanz unverheirateter Männern und Frauen und öffentliches Auftreten von Frauen ohne Schleier verboten. Auf dem Video sehe es aber nach einem privaten Grundstück und nicht einem öffentlichen Ort aus, sagte ein Jurist in Teheran. In dem Fall sei der Vorwurf von Verstoß gegen öffentliche Sittsamkeit auch nicht relevant.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?