Zensur hilft gegen Unsinn nicht : KOMMENTAR VON DANIEL HAUFLER
Beinahe wäre uns das ganze Theater erspart geblieben. Denn der Schriftsteller Peter Handke hatte der Öffentlichkeit doch vor drei Jahren fest versprochen: „Das ist das letzte Mal, dass ich mein Idiotentum öffentlich zeige.“ Nun will der Stadtrat von Düsseldorf dafür sorgen, dass der Dichter Wort halten kann – und verhindern, dass Handke den Heinrich-Heine-Preis erhält.
Grund genug dazu haben die Politiker. In den letzten 15 Jahren hat Handke nicht nur eine immer größere Zuneigung zum Diktator Slobodan Milošević entwickelt. Er hat auch in etlichen Schriften „Gerechtigkeit für Serbien“ gefordert, ohne auch nur den Versuch zu machen, die Taten von Regime und Militär zu untersuchen. Selbst ein Massaker wie das in Srebrenica war ihm kaum der Rede wert.
Natürlich hat Handke das Recht, Unsinn zu behaupten. Schließlich meinen manche ja auch, die Staatssicherheit sei eine Art Meinungsforschungsinstitut gewesen und Honecker ein netter Onkel mit schlechtem Mundgeruch. Nur: Dafür gab es bislang noch keinen Preis.
Auch wenn man Handkes Ansatz verstehen kann, sich der seinerzeit übermächtig scheinenden Diskursmaschine entgegenzustellen: Er hat nicht Gerechtigkeit für Serbien erreicht, nicht einmal eine differenzierte Debatte. Zu sehr hat er sich in der Rolle des intellektuellen Widerständlers geaalt, zu wenig den Argumenten seiner Kritiker gestellt – denn die dienten in seinen Augen bloß dazu, den Krieg gegen Jugoslawien zu rechtfertigen.
Handke deshalb als ebenso „eigensinnigen“ Dichter wie den Namensgeber des Preises, Heinrich Heine, zu feiern, und das zu „einem poetischen Blick auf die Welt“ zu verklären, so die Jury in ihrer Begründung, ist ebenso abwegig wie Handkes Deutung des Balkankonflikts. Aber auch für die Jury gilt: Sie hat das Recht, unsinnig zu urteilen – und den Preis an einen im Grunde unpolitischen Dichter zu vergeben. Heine hat Handke zwar nicht verdient und Handke nicht den Heine-Preis. Aber Heine hätte zweifellos die politische Kontrolle einer unabhängigen Jury abgelehnt. Diese Form von Zensur wäre erheblich schlimmer, als den Preis dem Falschen zu verleihen.