Zeitungsmarketing statt Fan-Aktion : Hand-Spiel am Hamburger Millerntor
Streit um das Bayern-Gastspiel. Ausgerechnet das größte Spiel der Vereinsgeschichte, das Pokal-Halbfinale gegen Bayern München am kommenden Mittwochabend, könnte ohne eine der kreativen, bunten Selbstinszenierungen seiner Fanszene auskommen müssen, wie sie den FC St. Pauli auch überregional bekannt gemacht haben. Dabei hatten die Fans ihre Idee für eine Stadion-Choreografie vor mehreren Wochen bereits beim Verein offiziell angemeldet. Mehr als 2.000 Euro hatten die Anhänger bereits für das bisher größte Papptafel-Spektakel eingesammelt: Auf dem Bild, das zahllose konzertiert hochgehaltene Papptafeln in der Gegengerade hätten ergeben sollen, wären die Konterfeis der St. Pauli-Spieler zu sehen gewesen.
An deren Stelle sollen nun 10.000 große Hände mit dem Aufdruck „Bye, bye Bayern“ auf der einen, der schwarz-weißen Seite – und dem Aufdruck „Hamburger Abendblatt“ auf der grün-weißen anderen Seite – vor Spielbeginn im Stadion verteilt werden. Diese Aktion eines nämlichen Lokalzeitungs-Marktführers aus dem Springer-Verlag wurde mit der Marketingabteilung des Vereins vereinbart und durchgesetzt – allen Hinweisen von Vereinsmitarbeitern zum Trotz, dass sie zu Konflikten mit der längst genehmigten Fan-Aktion führen könnte.
„Es ist einfach nur peinlich, dass dies ohne Rücksprache mit den Fans durchgesetzt wurde“ kommentiert Andreas Kahrs, Leiter der Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) die Situation. Die mit der Vorbereitung und Durchführung betrauten Anhänger hätten ihre Vorbereitung nun abgebrochen, heißt es auch in einer Mitteilung des Fanclubsprecherrats, da „mit dieser Aktion die in langer Arbeit vorbereiteten Choreografien unserer Fanszene schwieriger bis unmöglich werden“. Somit wird mindestens die Gegengerade des Millerntor-Stadions am Mittwochabend choreografiefrei bleiben.
Pauli-Präsident Corny Littmann erklärt zu diesem einmaligen Vorfall: „Es gibt keine Aufforderung des Vereins, die Hände zu nutzen. Es gibt auch kein Geld dafür.“ Ein Grund weniger, so könnte man meinen, die lang geplante Fanaktion zu gefährden und durch eine kommerzielle Choreografie ausgerechnet von Anhängern durchführen zu lassen, die einen klaren Standpunkte gegen kommerzielle Auswüchse im Fußball haben. „Es wird ja niemand gezwungen“, sagt Littmann.
Nun haben die Fans einen offiziellen Aufruf gestartet: „Wieder einmal wird von offizieller Seite vergessen, wer den Verein international bekannt gemacht hat“, heißt es darin. „Wir fordern hiermit alle Fans auf, diesem weiteren Versuch der Kommerzialisierung die Rote Karte zu zeigen. Boykottiert die Aktion! Schmeißt die Dinger in den Müll. Wir wollen unsere eigenen Choreos sehen und nicht die Werbung irgendeiner Hamburger Zeitung.“ Nicht glücklich mit der Abendblatt-Aktion ist auch die sportliche Leitung des FC St. Pauli: „Wir haben doch noch gar nichts erreicht“, heißt es von dort.
„Es ist unfassbar, dass die große Choreografie nicht mehr stattfinden kann“, empört sich Kahrs. Alle im Verein, die dies zu verantworten hätten, „haben keine Ahnung von der Kultur der FC St. Pauli-Fanszene“.
Wie nun ein Boykott aussehen könnte, bleibt unklar. Soweit, dass das Spiel des Regionalligisten gegen den Rekordmeister aus München vor einer nicht ausverkauften Gegengerade stattfindet, wird es nicht kommen. Wie gut aber – und wie weit – die grün-weißen Papphände wohl fliegen dürften, darüber wird unter den Fans schon diskutiert. FOG