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Archiv-Artikel

ZYPERN: KATZENJAMMER JA, ABER AUS DEN RICHTIGEN GRÜNDEN Große Probleme mit einer kleinen Insel

Natürlich warnen Politiker im Vorfeld immer in möglichst schwarzen Farben vor den dramatischen Folgen eines gescheiterten Referendums. Das ist ihr Versuch, Wankelmütige in letzter Minute zur Zustimmung zu bewegen. Geht es wie in Zypern dennoch schief, ziehen sie Plan B aus der Schublade und wenden sich den anstehenden praktischen Problemen zu. Das ist die Stunde aufgeregter Kommentatoren, die gern einen Abgesang auf die Europäische Union anstimmen. Das geschah im September 2000, als die Dänen den Euro ablehnten; der Einheitswährung hat das, wie man heute weiß, keinen Abbruch getan. Ein Jahr später beim irischen Nein zum Nizza-Vertrag war die Aufregung ebenfalls groß; doch die damit verknüpfte Erweiterung der EU lief planmäßig weiter.

Auch das gescheiterte Zypern-Referendum beschädigt Europa nicht in der Substanz. Es wirft allerdings jede Menge praktischer Fragen auf – und das in einem Moment, in dem die Union mehr als genug ungelöste Probleme hat. Da kommt das kleine Zypern mit seinen großen Verwicklungen ungelegen. Der Norden soll für die Enttäuschung finanziell entschädigt werden, aber auf welchem Weg, wo doch ein internationales Embargo über den Nordteil der Insel gilt? Und wer überwacht, dass Hilfsgelder für den Norden auch dort ankommen, wo sie gebraucht werden? Die grüne Linie soll durchlässig für Waren und Personen sein – wie aber kann gleichzeitig Zollbetrug und Menschenschmuggel verhindert und Lebensmittelsicherheit gewährleistet werden?

Zusätzlich kompliziert wird auch das Verhältnis zu Ankara. Die Kommission wird im Herbst einen günstigen Bericht über die Türkei vorlegen, um sich für die Kooperationsbereitschaft in der Zypernfrage zu bedanken. Gleichzeitig bleibt Nordzypern aus völkerrechtlicher Sicht ein besetzter Landesteil und damit die Türkei ein Besatzungsregime, mit dem Beitrittsverhandlungen ausgeschlossen sind. Die fortdauernde Teilung Zyperns bedeutet also keine Spaltung der Europäischen Union, aber eine Menge Verwerfungen werden daraus doch entstehen. DANIELA WEINGÄRTNER