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Archiv-Artikel

ZWISCHEN FANTASY FILMFEST UND FUCKPARADE: DIE WANNENDICHTE ALS STANDORTFAKTOR Hier wie dort gepflegte Endzeitstimmung

VON ANDREAS HARTMANN

Eine Gruppe von Freaks rottet sich zusammen, um über eine Stadt herzufallen. Die Stadt wird vom Bösen bedroht, die unheimlich aussehenden Freaks sind in Wahrheit die Guten, die nur tun, was getan werden muss. So war es bei der diesjährigen Fuckparade. So hätte aber auch der Plot einer dieser Filme aussehen können, die beim Fantasy Filmfest laufen, das morgen zu Ende geht. Nur wäre bei dem Film am Ende alles in Schutt und Asche gelegt worden, bei der Fuckparade dagegen ging es so friedlich wie früher bei der Loveparade zu.

Das Fantasy Filmfest findet traditionellerweise am Potsdamer Platz statt, nahe zum diesjährigen Start der Fuckparade am Leipziger Platz. Man konnte sich also noch problemlos in der Frühvorstellung „Little Big Soldier“ mit Jackie Chan oder die Backwood-Horrorkomödie „Tucker & Dale Vs Evil“ reinziehen und dann ein paar Meter weiter sich hinter einem der Fuckparade-Wagen einreihen.

Prinzipiell ziehen das Filmfest und der laute Straßenumzug eine ähnliche Klientel an. Hier wie dort geht es thematisch bevorzugt um Terror und gepflegte Endzeitstimmung, Gabba und Horrorfilm sind seit jeher eng miteinander verbunden. Dieselben Typen mit schwarzen Motto-T-Shirts, die sich informiert geben über die neuesten Tendenzen auf dem Sektor des „Torture Porn“-Films und aussehen wie Charaktere aus Fantasy-Rollenspielen, trifft man auf dem Fantasy Filmfest genauso wie später bei der Fuckparade.

Es ist mal wieder schrecklich kompliziert. Zuerst trieb man sich in den Arkaden herum, in dem Berlin, gegen das sich die Fuckparade ausdrücklich richtet, um kurz darauf selber mitzustapfen beim großen Marsch gegen dieses neue Berlin.

Zehn Kilometer? Nicht ohne Speed

Allerdings war die Paradenstrecke dieses Mal zehn Kilometer lang. Das hielten nur diejenigen ganz aus, die bequem hoch auf dem Wagen mitfahren durften oder genug Speed konsumiert hatten. In Friedrichshain wollte ich später wieder zum Umzug dazustoßen. Er war auch ohne Twitter ganz leicht zu finden, zunehmende Wannendichte zeigte den richtigen Weg an.

Der Horrorfilm ist zwar immer noch der Underdog des Kinos, aber längst auch eine äußerst einträgliche Geschäftssparte, weswegen er in Multiplexen am Potsdamer Platz angekommen ist. Die Fuckparade ist zwar ein Schaulaufen der Subkultur, eine der irrsten und verrücktesten Veranstaltungen in dieser Stadt, total Underground – und trotzdem wohl längst auch so eine Art weiterer Standortfaktor für eine Stadt, die längst erkannt hat, dass verrückt und irre zu sein ihr Image ist.

Fast wünschte man sich also wieder etwas mehr Intoleranz bei einer Veranstaltung, die sich einst immerhin „Hate Parade“ nannte. Ich selbst trug einen Tennisschläger mit mir herum, sah also so aus, wie sich der Fuckparade-Freak im Allgemeinen einen gentrifizierenden Yuppie vorstellt. Ich war auf irgendeine Ansage vorbereitet. Aber es passierte nichts. Auch in der wenig subkulturellen Sportbar „Zum steppenden Bär“ am Ostkreuz saßen tapfer die Hertha-Fans vor ihren Bieren und beobachteten das Treiben mit starren Blicken. Die Polizei, auf deren angebliches Gewaltpotential auf der offiziellen Homepage der Fuckparade hingewiesen wurde, hielt sich vornehm zurück.

In den Filmen, die auf dem Fantasy Filmfest laufen, entstehen aus dem Aufeinanderprallen unterschiedlicher Kulturen und Vorstellungen Konflikte, Mord und Totschlag. Im echten Berlin wird bloß noch friedlich zu Ende getanzt. Die Frage bleibt, ob das nun gut oder schlecht ist.