ZWISCHEN DEN RILLEN : Die Energie des Fuzzpedals
Mikal Cronin: „MCIII“ (Merge/Cargo)
Ist es eigentlich ein Problem, wenn Popmusik eintönig klingt? Mikal Cronin verneint: „Solange die Melodie nicht zu abgedroschen ist, funktioniert es immer wieder.“ Der 29-jährige kalifornische Musiker hätte vermutlich sein Lebtag keine Probleme damit, nach diesem Muster Musik zu komponieren. Er hat einen dermaßen feinen Sinn für Melodiestrukturen, dass das Anhören seiner Alben schon fast übertrieben euphorisierend ist.
„MCIII“, sein drittes Soloalbum, hinterlässt wieder so ein Gefühl, als hätte man ein bisschen zu schnell zu viel kalte Cola konsumiert, oder Sekt, oder irgendetwas Illegales, dann ist man aufgeregt und weiß nicht, wohin mit Händen und Füßen.
Trotz dieser Gabe hat Cronin jedoch ein Problem mit Musik, die immer ähnlich klingt. Deswegen reichert er den Garage Rock, dem er auf seinen letzten beiden Alben nachging, auf „MCIII“ mit ganz neuen Substanzen an. Ein paar der Songs werden von Streicher-Arrangements strukturiert, es blasen Waldhörner und Saxofone durch die Strophen.
Cronin versöhnt Garage und Pop auf eine Weise, die viel eingängiger und überzeugender klingt als der Sound vieler Lofi-Kollegen, die denken, es sei damit getan, ein paar Surfgitarren auf ein rauschendes Tape aufzunehmen. „MCIII“ zeugt dabei deutlicher denn je von Cronins starkem Sinn für wirkungsbewusste Hooklines und handwerklich sicheren Arrangements. Dass er ein abgeschlossenes Musikstudium hat, hört man.
Damit ist es für ihn aber nicht getan: „Natürlich will ich keine supergut gelaunte Popmusik machen“, sagt er. „Ich mag es aggressiv und treibend, aber nicht immer: Der Kontrast ist wichtig. Das ist es, was Pop für mich interessant macht. Nehme zwei Dinge, die zusammen keinen Sinn machen, und werfe sie durcheinander.“
Aus diesem Grund versieht Cronin seine Lieder auf „MCIII“ an bestimmten Stelle immer mit viel Fuzz-Pedalkraft, egal, wie balladesk sie anfangen mögen. Daraus ergibt sich eine starke Energie aus breitseitigen, dabei nie opulenten Gitarren und eines tatkräftigen Schlagzeugs. Beides hat er selbst eingespielt.
„Gold“ ist ein typischer Cronin-Track, der zuerst wie ein ungehobelter Garage-Rock-Heuler ankommt, dann im Refrain zu einem gütlichen Schmachter wird, bis er plötzlich von einer überraschenden Wende wieder in eine andere Richtung überführt wird. Hier ist es eine Sitar, die nach ein paar Minuten alle Instrumente absorbiert, um sie nach einem kurzen Zwischenspiel in einen noch energetischeren Songverlauf zu überführen. Aber dann gibt es eben auch die neuen Cronin-Tracks, mit luftiger Klavierbegleitung, umgänglichen E-Gitarren und alles umflorenden Streichern. Plötzlich bettet Cronin seine Hörer ganz weich, was aber nicht weiter schlimm ist, weil es nie kitschig wird.
Eher emotional kathartisch. Fast fühlt man sich ein bisschen ertappt: Hat Cronin während seines Musikstudiums nicht auch einiges über die Psychologie von Pop gelernt und weiß dementsprechend, welche Akkordfolgen beim Hörer die stärksten Emotionen auslösen? „Tatsächlich hatten wir bei uns am College mal einen Dozenten, der uns erzählte, welcher musikalische Trick am besten funktioniert, um Menschen zum Weinen zu bringen. Du hörst ihn oft in Popsongs. Die Grundtonart von einem Song mag zum Beispiel C-Dur sein, die Bridge oder der Refrain wird dann um einen Ton angehoben. Zum Beispiel bei Mariah Carey. Das ist wirklich bewegend.“ Cronin hat eben nur von den Besten gelernt. „Das hat schon auch viel mit Wiedererkennung zu tun. Wenn du als Hörer erwartest, dass gleich ein bestimmter Akkord kommt, und das eingelöst wird, wirkt das beruhigend.“ Gerade jedoch, wenn man sich auf „MCIII“ in den Liedern eingerichtet hat, kommt irgendeine Wende, dann wird die wattigste Ballade mit dreckigen Gitarrenriffs verschmiert oder ein kratziger Refrain mit prachtvollen Trompetensätzen versehen. Beruhigen will Mikal Cronin seine Hörer zum Glück bis heute nicht.
LISA FORSTER
■ Live: 8. Juni, Lido, Berlin; 9. Juni, Gebäude 9, Köln