ZELT- UND JEANSSTOFF: Bier gegen die Sonne
Hamburger Soundtrack
von Nils Schuhmacher
Sommerzeit, die ganze Stadt fragt sich: Welches skandinavische Ereignis – neben Autoschlangen Richtung Norden – ist gerade brisant? Der „Sommer in Altona“ (noch bis 30. 8.)? Oder sind es doch die „Weltturbojugendtage“ (4.–6. 8.)? Wettermäßig geben sich beide Veranstaltungen natürlich nichts und finden überdacht statt – musikalisch tut sich dann aber doch eine gewisse Spannbreite auf.
Sie beginnt auf der einen Seite, also im Zirkuszelt am Nobistor, in etwa bei Stereo Total (5. 8.), diesem Berliner Elektronik-Chanson-Duo, das seine Musik mit erotischen wie anarchischen Unanständigkeiten spickt; sie endet auf der anderen Seite, in der Großen Freiheit 36, ziemlich genau bei Turbonegro (5. 8.), einer personell stetig wechselnden Band aus Oslo. Ihre punkmusikalische Konstante: Sie haben dem Begriff Speckigkeit eine ganz eigene Dimension verliehen. Sonne jedenfalls dringt nicht durch die obligatorischen Jeansjacken der internationalen Turbojugendlichen, und offen präsentierte Haut sichern mehrere Lagen alter Bierduschen ab.
Sollte Sonne doch noch zum Problem werden, lässt sich gut zurückgreifen auf Andreas Dorau (9. 8., Kampnagel), der da seine ganz eigenen Ideen hat: In „Die Sonne scheint“ wies er bereits Anfang der 1980er-Jahre darauf hin, dass der Himmelskörper erst krank macht, dann als letztes lacht, und man besser nur zu Hause „blank zieht“. Und ein Lied wie „Sommer im Dornrosenthal“ klingt bei ihm, als versteckten sich zarte Regentropfen vor einem Unwetter.
Damit ist man bei Kampnagels Internationalem Sommerfestival, das unter anderem mit den von Grobschlächtigkeit und Ironie gänzlich freien Tindersticks aufwartet (16. 8., Elbphilharmonie – längst ausverkauft). Die Band stammt 1. aus England und vertont 2. einen Experimentalfilm über die Geheimnisse der Natur. Ihr muss man übers Wetter also nichts erzählen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen