ZEITGEMÄSSE FELLSCHUR IM HUNDESALON UND VERSCHLOSSENE SECOND-HAND-LÄDEN IN NEUKÖLLN : Der Damenspitz bei der Möbeljagd
SASKIA HÖDL
Samstagmorgen sitze ich mit meiner Cocker-Hündin Ronja im „Hundesalon Alt-Mariendorf“. Das ist für uns beide eine neue Erfahrung. Nicht nur weil wir gerade erst von Kreuzberg nach Tempelhof gezogen sind, sondern weil Hundefriseure eigentlich nie so unser Ding waren. Ronja stellt sich an, dass es eine Freude ist. Sie dreht sich im Kreis und zieht der geduldigen Hundefriseurin ständig die Pfote weg. Ich trinke Kaffee, blättere in einer Zeitschrift für Hundebesitzer und frage mich, wer diese Texte schreibt. „Kleine Hunde groß im Kommen“, steht da, ich schiele kurz zu Ronja, die dank Schermaschine immer kleiner wird – hab ich ein Glück.
Nach einer Stunde ist Ronja fertig. Erschöpft von dem Gerangel mit der Friseurin steht sie da und guckt mich hechelnd an. Neben ihr liegt ein Haufen schwarzer Fellbüschel, der höher ist als sie. Dafür sieht sie aus wie ein neugeborenes Lämmchen mit viel zu langen Ohren. Zu Hause rollt sie sich zusammen und schläft sofort ein. Mein Freund D. und ich gehen wieder auf Möbeljagd. Gefühlt verbringen wir jedes Wochenende damit. Flohmärkte, Second-Hand-Läden und Ebay-Kleinanzeigen – wir kennen sie alle. Das Gute ist, so lernt man Ecken der Stadt kennen, die man sonst nie gesehen hätte. Das Sofa ist aus Steglitz, die Stühle sind aus Treptow, der Tisch ist aus Neukölln und die Stehlampe haben wir vom Prenzlauer Berg.
Günters An- und Verkauf ist dicht
Die fehlende Deckenbeleuchtung treibt uns nun in den Schillerkiez, zu den Second-Hand-Läden, die wir nur vom Vorbeifahren kennen. Wir spazieren durch die Emser Straße, vorbei an dieser Wohnung, die wir nicht bekommen haben. Dann geht’s durch die Leinestraße, nach einem Kaffee im „Frollein Langner“ in die Kienitzerstraße und die Herrfurthstraße. Es ist früher Nachmittag, die Sonne meint es gut und die Straßen sind ruhig. Noch ruhiger ist es aber in „Günters An- und Verkauf“. Hat nämlich geschlossen.
Wir gehen bis zur Flughafenstraße. Da ist ein Second-Hand-Laden nach dem anderen, aber alle sind zu. Durch die dreckigen Schaufenster von „Fantasiakulisse“ lacht uns eine Küchenlampe entgegen. Doch auch hier geht die Tür nicht auf. Wäre sie zu öffnen, würde man vor einer Wand aus alten Dingen stehen. „Second-Hand-Möbel sind eigentlich Dinge von toten Menschen, oder?“, frage ich D. Er guckt mich verdutzt an, lacht, nimmt meine Hand und sagt, „Komm, wir gehen irgendwo was essen.“
Wir spazieren zurück zur Weisestraße und finden tatsächlich noch einen Laden mit Wohnungsklimbim. „English Traders“ heißt er. Die Auswahl ist bescheiden, aber ausgesprochen schön, und wir nehmen eine Gemüsebürste und ein Schöpflöffel-Set aus weiß-blauer Emaille mit. Das ist nicht die Ausbeute, die wir erhofft hatten, aber wir sind zufrieden. Ein paar Meter weiter ist die „Speiserei No. 58“. Draußen hängen Luftballons, drinnen riecht es nach Holz und die Speisekarte ist spärlich. Der kleine Laden ist neu, mehr oder weniger den ersten Tag geöffnet, sagt mir die junge blonde Dame, die wohl die Besitzerin ist.
In der Karte steht „Verlängerter“ und „Steirische Eierspeis“, und ich frage sie, woher der Österreich-Bezug kommt. Sie habe sechs Jahre in Wien gelebt, sagt sie und freut sich, als ich ihr sage, dass das meine Heimatstadt ist. Schon seit einiger Zeit scheinen österreichische Speisen, Weine und die Wiener Kaffeekultur in Berlin der neue Rucola zu sein – überall kriegt man sie plötzlich nachgeschmissen. Mich macht das ja glücklich, seltsam ist es trotzdem. Wir nehmen zweimal die Eierspeis mit steirischem Kernöl und spazieren später noch eine Runde übers sonnige Tempelhofer Feld.
Sonntagmittag geht es dann zum Arkonaplatz, dem schönsten Trödelmarkt Berlins, wie ich finde. Die Sonne knallt ganz schön, es gibt Bratwürste und Sekt, wir stöbern und reden mit netten Standbesitzern. Es ist erfrischend, dass einem hier keiner vormachen will, „Shabby Chic“ und total ramponiert sei das Gleiche. Die Preise sind fair, die Händler sind zum Handeln bereit und gegen 16 Uhr habe ich dann einen leichten Schwips – österreichisch: Damenspitz –, zwei Bücher, eine Sonnenbrille, eine Uhr, einen Flaschenöffner und, das Allerwichtigste: Um mein Handgelenk baumelt an einem schwarzen Kabel ein großer grüner Fabriklampenschirm für unsere Küche. Total ramponiert natürlich.