: Yuppie-Sex
■ „9 1/2 Wochen“ lahme Erotik - RTLplus, 23.15 Uhr
Seit Bertoluccis Der letzte Tango in Paris war Hollywood auf der Suche nach einem ähnlich skandalösen Stoff. Als eine gewisse Elizabeth McNeill (ein Pseudonym) 1978 ihre autobiographische Novelle 9 1/2 Wochen herausbrachte, war es soweit:
Der britische Werbefilmer Adrian Lyne, der gerade mit seinem Hupfdohlen-Streifen Flashdance ordentlich Kohle gemacht hatte, wurde als Regisseur engagiert und bekam auch seine Wunschdarsteller Kim Basinger und Mickey Rourke.
9 1/2 Wochen ist die Geschichte einer Obsession. Auf einem Straßenmarkt in der New Yorker Canal Street treffen sich die frisch geschiedene Elizabeth (Kim Basinger), die in einer Kunstgalerie im In-Viertel Soho arbeitet, und der junge, erfolgreiche Börsenmakler John (Mickey Rourke). Elizabeth schreckt zunächst vor der direkten Art Johns zurück - aber nicht lange. Sie gerät schnell in die sexuelle Hörigkeit des geilen Brokers und wird von ihm mit immer ausgefalleneren Sexpraktiken erniedrigt und gequält. In McNeills Roman enden die „9 1/2 Wochen“ sexueller Exzesse mit der totalen nervlichen Zerrüttung von Elizabeth. In der Hollywood Version kann sich die Frau „noch rechtzeitig“ von John befreien.
Was uns als Erotikschocker verkauft werden sollte, ist nichts anderes als ein flacher, zweistündiger Videoclip in Werbespotmanier. Die angeblichen sexuellen Abgründe der Yuppies sind harmloser als eine Deodorant-Reklame. Daß die sadomasochistische Beziehung der beiden Hauptfiguren nicht funktioniert, ist auf die Feigheit aller Beteiligten zurückzuführen. Der Regisseur versucht angestrengt, alles Anstößige zu vermeiden. In den Augenblicken in denen es spannend wird, bricht er ab. Mickey Rourke hielt ihn für ein „kleinkariertes Arschloch“, und seiner Film Partnerin warf er vor, sie hätte sich geweigert, die scharfen Sexszenen zu spielen. Die revanchierte sich, indem sie jedem erzählte, wie ekelig sie den Macho fand: „Da kann ich ja gleich einen vollen Aschenbecher küssen.“
In den USA floppte der Film. In Europa aber, vor allem in Frankreich wurde 9 1/2 Wochen ein regelrechter Kultfilm, und im brasilianischen Sao Paulo läuft der Film schon seit ein paar Jahren ununterbrochen in dem gleichen Kino.
kweg
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