Wowereits Ansehen : Die erste Quittung
Auf den ersten Blick könnte man meinen: Was soll’s? Ob Klaus Wowereit oder ein anderer SPD-Politiker die Rangliste der beliebtesten Politiker der Stadt anführt, kann den Sozis doch egal sein. Vor allem, wenn auf Platz drei der jüngsten Forsa-Umfrage mit Michael Müller noch ein Sozialdemokrat folgt. Doch dieser Blick ist zu schlicht. Wowereit war bisher das Aushängeschild der SPD, gefühlte Lichtjahre vor dem restlichen Politikpersonal der Stadt. Wackelt Wowereit, wackelt die ganze SPD. Das sollte der Partei zu denken geben – und ihm selbst auch.
KOMMENTAR VON STEFAN ALBERTI
Natürlich sieht eine politische Götterdämmerung anders aus. Und auch von einem Absturz lässt sich nicht wirklich sprechen. Vor allem, weil der mutmaßliche CDU-Gegenspieler bei der Abgeordnetenhauswahl 2011, Frank Henkel, erst auf Platz 14 der Rangliste auftaucht – und damit noch hinter den Chefs der kleineren Oppositionsfraktionen Grüne und FDP.
Dennoch liegt eine klare Aussage in der geschwundenen Beliebtheit des Regierenden Bürgermeisters. Seine Art und Weise, gelegentlich Entscheidungen im Alleingang zu treffen, vergrätzt offenbar manchen, dem sein Politikstil früher zusagte. Das gilt für die Ansiedlungsentscheidung zugunsten der Modemesse Bread & Butter genauso wie für den Umgang mit dem Pro-Reli-Abstimmungstermin. Man muss nicht wie die CDU von absolutistischem Gebaren im Stile eines Sonnenkönigs sprechen, um eine gewisse Arroganz der Macht festzustellen – man kann es auch zuspitzen und Hybris nennen. In der griechischen Tragödie löst derartige Selbstüberhöhung göttlichen Zorn aus und führt zum Fall des Helden.
Davon ist Wowereit zwar noch weit entfernt. Aber die Umfrage hält einen Trend fest, der sich verstärken kann bis zur nächsten Parlamentswahl. Genauso lang hat Gegenkandidat Henkel Zeit, an seinem Profil zu arbeiten. Auch wenn es heutzutage kaum zu glauben ist: Anfang 2005 war mit Joachim Zeller in einer anderen Umfrage ein Christdemokrat beliebtester Politiker Berlins.