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Wovor sich Deutsche fürchtenMehr Angst um Preise als um die Ehe

Die Ängste der Deutschen sind seit der Jahrtausendwende insgesamt gestiegen. Sie fürchten sich vor Teuerung und Naturkatastrophen.

Alptraum der Deutschen: Überfluteter Theaterplatz vor der Dresdner Semperoper und Innenhof des Zwingers 2002. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Deutschen machen sich selbst oft irrationale Sorgen. Die Sorge vor einer Teuerung steht an erster Stelle, trotz der aktuell niedrigen Inflation. Angst vor dem Zerbrechen der Partnerschaft haben hingegen nur wenige, trotz hoher Scheidungsraten. Dies ergab die alljährliche Studie des Versicherungskonzerns R+V "Die Ängste der Deutschen 2010".

Obwohl die Preissteigerungsrate derzeit so niedrig ist wie selten zuvor, haben 68 Prozent der Befragten Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten. Diese Sorge steht auch im Langzeitvergleich von 20 Jahren an erster Stelle, erklärte R+V-Konzern-Sprecherin Rita Jakli. Auch die Angst vor Naturkatastrophen nimmt inzwischen breiten Raum ein. 64 Prozent der Befragten erklärten, sich vor Naturkatastrophen zu fürchten. Das war eine Steigerung um 8 Prozentpunkten im Vergleich zum Jahr davor und der bislang höchste Wert.

Die Befragung von 2.500 Personen fand von Mitte Juni bis Mitte Juli statt, also noch vor der Flut in Pakistan, aber nach dem Erdbeben in Haiti, der Vulkanwolke aus Island und der Ölpest im Golf von Mexiko, zählte Jakli auf. Die Ölpest als "Naturkatastrophe" zu bezeichnen, dürfte allerdings mancherorts auf Widerspruch stoßen.

Interessanterweise nimmt die Angst vor Jobverlust weniger Raum ein, als man im Zuge der vergangenen Wirtschaftskrise vermuten könnte. 61 Prozent der repräsentativ ausgewählten Studienteilnehmer erklärten, sich vor einer höheren Arbeitslosigkeit in Deutschland zu fürchten, dieser Wert ist im Vergleich zum Vorjahr um 4 Prozent gesunken. Dies sei ein "erstaunliches Ergebnis" sagte der Politologe Manfred Schmidt von der Universität Heidelberg, der den Konzern bei der Studie berät.

Nur knapp ein Viertel der Befragten erklärten, sich vor dem Zerbrechen der Partnerschaft zu fürchten, das war der niedrigste Wert aller 16 abgefragten Ängste. Dabei würden rein statistisch 38 Prozent der Ehen geschieden, führte Jakli auf.

Die Ängste der Deutschen sind seit der Jahrtausendwende insgesamt gestiegen. So hat die Angst vor einem sinkenden Lebensstandard im Alter und davor, ein Pflegefall zu werden, deutlich zugenommen. 42 Prozent der Befragten befürchten, dass durch vermehrten Zuzug von Ausländern Spannungen entstehen könnten. Dieser Wert ist nur geringfügig gestiegen und liegt genauso hoch wie der Anteil der Studienteilnehmer, die vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung Angst haben.

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7 Kommentare

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  • S
    Sven

    ooch... da muss man doch keine Angst haben, gegen die meisten Sachen kann man sich doch beim Studienauftraggeber versichern! ;-)

  • AS
    Andreas Suttor

    Da kann man dem User Porto nur recht geben. Offensichtlich ist den meisten Menschen hier überhaupt nicht klar, daß sie alle - und damit meine ich alle - in einem Hort von unvorstellbarem Luxus und Sicherheit leben. Meinen Kindern konnte ich in entsprechendem Alter einen längeren Trip in andere Gegenden dieser Welt nicht ersparen - seitdem haben sie hier absolut keine Angst mehr und schämen sich für das Anspruchsdenken der meisten hier. Insofern hat die entwickelte Idee des Pflichtdienstes in Entwicklungsländern wirklich Charme. Pflichtabschnitt als Volontär beim DED könnte sicher Einiges ändern.

  • E
    Eberhard

    Aber es herrscht keine Furcht, das das herzallerliebste Jesulein noch einmal auf die Erde kommt.

    "Gott sei dank!"

  • A
    Aggel

    "[...] Studienteilnehmer, die vor einem Krieg mit deutscher Beteiligung Angst haben."

     

    Wie kann man Angst vor etwas haben, was bereits passiert (ist)?

  • P
    Porto

    So ist das mit den Deutschen, man hat (fast) alles, lebt in der ersten Welt, mit den höchstem Lebenstandard, ist eines unter den ersten fünf Industrieländern weltweit und man hat halt Angst.

     

    Es wäre vielleicht klug, dass alle Bürger einmal im Leben für 3 Monate unendgeldlich in einem Dritte Welt Land sozialen Dienst tun würden.

     

    Dann wäre es wohl vorbei mit diesen in dem Artikel genannten Ängsten... aber wer keinen Vergleich hat, der hat halt Angst.

  • HM
    Heiner Müller

    Das scheint mir eine sehr manipulierte Studie zu sein: in meinen Umkreis fürchten sich die Menschen am Meisten vor den deutschen Politikern in Land und Bund, die unfähig, korrupt, scheinheilig und verlogen sind, die das Land an die Konzerne verkaufen und in ihre eigenen Taschen wirtschaften. Aber das darf wahrscheinlich nicht in so eine Studie....

  • A
    anke

    Wieso denn Widerspruch? Die große Ölpest im Golf von Mexiko war eine Katastrophe für die Natur, gemacht von Menschen, die selbst Teil der Natur sind und immer bleiben werden und die das Recht für sich in Anspruch genommen haben, ausschließlich ihrer Natur zu folgen - eine waschechte Natur-Katastrophe also.