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■ Wovon deutsche Politiker nur träumen könnenZehn Jahre des Glücks

Mit 216 Gegnern seiner Politik hat es Sapamurad Nijasow nun aufzunehmen. Der erste Mann Turkmenistans kann sich ohne falsche Scham glücklichster Präsident, den die Welt kennt, nennen. 99,9 Prozent der Wähler des Wüstenstaates an der Grenze zum Iran sprachen ihm ihr Vertrauen aus. Die Miesmacher stammen allesamt aus der Hauptstadt, Aschchabad, der „Stadt der Liebe“. Stadtluft macht frei. Die großteils nomadisierende Landbevölkerung scheint ihren „Sapamurad Turkmenbaschi“ – den Führer aller Turkmenen – dagegen bedingungslos zu lieben. So hatte er es sich immer gewünscht.

Das fantastische Ergebnis läßt sich nicht allein mit Manipulation und Einschüchterung erklären. Auch sie ist natürlich zwischen dem Kopet-Dagh-Gebirge und dem Aralsee allgegenwärtig. Oppositionelle wagen kaum ihren Mund aufzumachen. Der Vorsitzende des Schriftstellerverbandes erklärte die ein wenig beunruhigende Ruhe in der Republik mit der beispiellosen geistigen Übereinstimmung zwischen Intelligenz und dem Präsidenten. Der machte wiederum klar, daß ein asiatischer Staat seine eigene Form von Demokratie benötige. Sprich eine starke Führerfigur. Nijasow stand schon in Sowjetzeiten an der Spitze der damals ärmsten Unionsrepublik. Danach brachte er die widerstreitenden Clans, die unterschiedlicher Nationalität und sich untereinander wahrlich nicht grün sind, auf seine Linie. Er steckte sie in einen Ältestenrat, dem er symbolische Funktionen zuwies. In den Verwaltungen des Landes sitzen seine Vertrauten. Doch ausschlaggebend für das Wahlergebnis dürfte die Entfernung der Bürger zu jeglicher Politik sein. Die Nomaden führen ihr bescheidenes Leben fernab vom Zentrum. Die Kischlake liegen weit auseinander. Verkehrsmittel gibt es so gut wie gar nicht. Die Frauen haben zu schweigen. Der Grad des Analphabetismus ist so hoch wie in keinem anderen GUS- Staat.

Bis 2002 wird Nijasow nun walten. „Zehn Jahre des Glücks“ hatte er seinen Untertanen als Programm versprochen. Wer kann so einer Versuchung leichten Herzens widerstehen? Zwei Jahre sind schon ins Land gegangen. Und die Bevölkerung hat tatsächlich etwas bekommen. Freies Benzin, Elektrizität, und sogar Wasser, wahrlich ein kostbares Gut, erhalten sie kostenlos. Wohldosiert, selbstverständlich. Dennoch für die ökologisch schon jetzt ruinierte Republik eine fatale Entscheidung. Demnächst soll noch kostenloses Brot dazukommen. Die ungeheuren Öl- und Gasreserven machen es möglich. Ansonsten hat sich in Politik und Wirtschaft nichts geändert. Die Klanführer herrschen und verteilen, wie sie es schon als Sekretäre der KP getrieben haben. Klaus-Helge Donath, Moskau

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