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„Wohnkonzept“ als U-Bahn-Fahrt im dunklen Tunnel

■ betr.„Wohnen im Verein“, taz vom 7.3. 98

Mit Interesse habe ich als Ex- Bewohner der WG Waldemarstraße den Artikel über das Leben in eben jener Gruppe als sogenanntes „Wohnkonzept“ gelesen. Nicht zufällig wird dort die einstmals WGs mitbegründende Idee, die Erfahrungen des Zusammenlebens als Politikum zu begreifen und zu veröffentlichen, als „Weltverbesserermanier“ denunziert. Dazu hat die uns als „Pressesprecherin“ jener Gruppe vorgestellte Gabriela allemal Grund zu „schmunzeln“. Hinter diesem „Schmunzeln“ steckt der niemals ausgesprochene Widerspruch zwischen dem, „was da mal war“, und dem, was dann daraus gemacht worden ist. Es ist der Ruin der leider zugrunde gerichteten Idee, im Zusammenleben zwischen vielen Menschen vielleicht doch noch etwas anderes möglich zu machen, als was von den deprimierenden Verhältnissen nahegelegt wird. Klar, daß da mancher im klaffenden Spalt eben dieses Widerspruchs zwischen niemals explizit suspendiertem Anspruch und schlechter Wirklichkeit verschwinden muß. Aber auch das kann das im Artikel vorgestellte Bild eines „bunten Haufens“ nähren, zu dem allerdings gehört, daß schon allein die schlichte Frage danach, ob und wie denn in diesem „Wohnkonzept“ Konflikte ausgehandelt werden, von den meisten Beteiligten vermutlich nur als eine unerträgliche Zumutung begriffen werden kann. Wo denn aktuell selbst in WGs keine Alternative mehr zu dem allerorten herrschenden Gesetz des Dschungels „Fressen oder gefressen werden“ aufscheint, bleibt auch an diesen Orten nur die latente Angst vor dem Ausschluß, die allen Beteiligten Unterordnung gerade dort nahelegt, wo „Weltverbesserermanier“ nun wirklich keinen Platz mehr hat. „Wohnkonzept“ als U-Bahn- Fahrt im dunklen Tunnel. Markus Mohr

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