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Wohnen muss man. Deswegen ist es ärgerlich, wenn Eigentümer von kostbarem Wohnraum den einfach leerstehen lassenDer Held des Wohnraumgesetzes

Foto: Lou Probsthayn

Fremd und befremdlich

KATRIN SEDDIG

Warum lassen Eigentümer ihre Immobilie leerstehen? Da könnte doch wer drin wohnen, und eine Menge Leute wollen gerne wo wohnen, und sie wollen sogar gerne dafür bezahlen. Aber es gibt so Gründe. Man hofft auf einen größeren Gewinn. Zum Beispiel durch Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen oder Nutzung als Ferienwohnung, auch Verfall ist eine Option.

Die Wohnungssuche jedenfalls ist eines der großen Abenteuer in der Großstadt. Das Warten in Schlangen, das Treppenhaus hinunter, die intimen Fragen, die man einem witzigen Mann in lila Sakko beantworten soll, das kann den abenteuerlichen Reiz ausmachen, das kann zur großen Herausforderung werden. Aber was hilft’s, Wohnen muss man. Deswegen ist es schon ärgerlich, dass Eigentümer von kostbarem Wohnraum den einfach leer stehen lassen.

Klar kümmert den Eigentümer die Not der Wohnungssuchenden wenig. Klar gibt es solche Eigentümer und solche, und wir selbst kümmern uns ja auch nicht um die Not aller anderen Menschen, sondern meist nur um unsere eigene oder allenfalls noch die unserer Freunde. Aber die Stadt kann sich drum kümmern, die Regierung, die muss ja zu was gut sein, die soll ja unter anderem auch für so soziale Sachen und Gerechtigkeit zuständig sein.

Wenn also Wohnraum in der Stadt so rar ist, dann kann die Stadt doch mal einfach den Immobilienbesitzern die Immobilien aus der Hand nehmen und vermieten, zack! Das Verrückte ist, sie kann das tatsächlich.

Das Hamburgische Wohnraumschutzgesetz (HmbWoSchG) von 1982, das vor allem der Erhaltung und Pflege von Wohnraum dient, ist 2013 überarbeitet worden. Die Stadt kann für länger leer stehenden Wohnraum jetzt, wenn sie will, die Zwangsvermietung anordnen, oder die Schaffung von Ersatzwohnungen, oder eine Ausgleichszahlung oder sogar, wenn das alles nicht geschieht, eine hohe Strafe erlassen. Nur hat sie das bisher irgendwie einfach nicht gemacht.

Jede Menge Wohnungen stehen in Hamburg immer noch unvermietet leer und das kümmert jedenfalls nicht die Behörde. Vielleicht kümmert sie das doch, aber sie hat keine Zeit für solche Sachen, weil sie nur sehr wenige Leute hat, die andere Sachen machen müssen. Vielleicht gefällt den Leuten von der Verwaltung auch diese Art Arbeit nicht. Man weiß es nicht. Man bräuchte vielleicht bloß ein Gesetz gar nicht, wenn es keine Anwendung findet, weil man eben keine Zeit oder Lust dazu hat.

In diesem Jahr allerdings ist etwas geschehen, es ist fast so etwas wie eine kleine Revolution. Ein Bezirksamtsleiter, Falko Droßmann, vom Bezirk Mitte, hat erstmals einen Hausbesitzer, den auch ein Strafgeld nicht zu einer Änderung seiner Pläne bewegen konnte, ein bisschen zwangsenteignet. Herr Droßmann ist also so etwas wie ein Held des HmbWoSchG, indem er es einfach mal anwendet.

Mal in einem ersten Falle, der ihn vielleicht ein bisschen wütend gemacht hat. Man kennt das ja, wenn einer partout nicht hören will. Wir wissen nicht, wo Herr Droßmann den Mut hernahm, jedenfalls macht sein Beispiel jetzt Schule. Traut sich erst mal einer, ein Gesetz anzuwenden, kommen andere auch noch auf den Trichter, und bald wagen sich vielleicht noch ein paar Bezirksämter mehr, echtes Leben in ein Gesetz hineinzubringen oder das Gesetz in das echte Leben. Liane Melzer, Altonas Bezirksamtsleiterin, sagte dem NDR: „Ich sehe die Aktionen meines Kollegen Droßmann mit Interesse“.

Das ist doch was! Das hört sich doch nach Frühling an. Interesse heißt doch wohl, man ist nicht abgeneigt. Und wenn am Ende tatsächlich drei oder sieben der vielen leer stehenden Häuser vermietet würden, dann bekommt diese Verschärfung des HmbWoSchG noch nachträglich tatsächlich einen Sinn.

Katrin Seddig ist Schriftstellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Eine Nacht und alles“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

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