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Wölfe im neuen Deutschland Die Rückkehr des Wolfes

Der Wolf muss für viele Symbolbilder herhalten. Wie hat sich unser Verhältnis zum Wolf über die Jahrhunderte gewandelt und wie kommen wir heute mit seiner Rückkehr klar?

Großmutter, warum hast du so große Zähne? Foto: Foto: Julian Straltenschulte/dpa

taz lab | Für den Ökologen Josef Reichholf entstanden die Geschichten vom „bösen Wolf“ in der „Kleinen Eiszeit“ zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert, als die Wölfe nach Westen wanderten und hier Furcht verbreiteten. „Auch Menschen machten sich das zunutze und traten als raubende und mordende Werwölfe auf.“

Im Januar des Jahres 2000 gelang es dem ersten Echtwolf aus dem Osten über die Oder nach Deutschland einzuwandern. Er hatte nur drei Beine. Vermutlich war er in Polen in eine Wolfsfalle geraten und hatte sich das eingequetschte Bein abgebissen. Das hinderte ihn jedoch nicht, bei Ossendorf ein Rind zu töten und laut Bild-Zeitung eine Schäferhündin namens Xena zu schwängern.

In Deutschland war der letzte Wolf 1847 erschossen worden. Da nun befürchtet wurde, dass noch mehr Wölfe aus dem Osten in Deutschland einwandern könnten, nahm zunächst die Angst vor diesen Raubtieren in der Bevölkerung zu.

Die taz erinnerte daran, dass der Tarnname von Hitler in der Anfangszeit der Nazi-Bewegung „Wolf“ gewesen war. Den Namen übertrug er dann auf seinen Schäferhund, ferner, dass er später sein Hauptquartier „Wolfschanze“ nannte und das letzte partisanische Aufgebot „Werwölfe“.

Eingefangen und umbenannt

Der dreibeinige Wolf, spontan Iwan genannt, wurde eingefangen, in Naum umbenannt und kam in den Wildpark Schorfheide, wo er zusammen mit einer russischen Wölfin eingehegt wurde. Der Tagesspiegel titelte: „Die Angst vor Sibirien ist unheimlich nah“. Die Berliner Zeitung lieferte zwei Seiten Hintergrundmaterial über den „Todfeind Wolf“ – von Jack Londons „Wolfsblut“ bis zu Hermann Hesses „Steppenwolf“.

In Brandenburg wurde ein „Wolf-Wiederansiedlungs-Management-Plan“ verabschiedet. Der regelte, dass die finanzielle Entschädigung, welche die Halter von Wölfen gerissener Schafe bekommen, mit den Mehreinnahmen durch den Wolfstourismus gegengerechnet werden. Und tatsächlich wich die allgemeine Wolfsangst langsam einer Wolfsfaszination.

2023 lebten bereits 1339 Wölfe in Deutschland: 184 Rudel, 47 Paare und 22 Singles. Das verdankten die Wölfe vor allem den Frauen. Hatte schon die Ehefrau des berühmten Wolfsforschers Erik Ziemen das eine oder andere Wölfchen selbst gesäugt, wandten sich nun einige Frauen ganzen Rudeln zu: auch die Pianistin Hélène Grimaud, die Biologin Gesa Kluth und die Zootierpflegerin Tanja Askani.

„Alle drei sind Wölfen begegnet und ihnen verfallen“, schreibt der Hobbyjäger und Welt-Redakteur Eckhard Fuhr, der 2014 ein Buch über Wölfe veröffentlichte, die er bezogen auf Deutschland als „Heimkehrer“ bezeichnete, die nun „unser Leben verändern“.

Wölfin unter Wölfen

Die Rechtsanwältin Elli Radinger gab ihnen zuliebe ihren Beruf auf und schreibt seitdem Bücher über sie, zudem ist sie Herausgeberin des Wolf Magazins. Die Falknerin und Autorin Tanja Askani zog etliche Wölfe groß und arbeitet mit mehreren Rudeln im Wildpark Lüneburger Heide. Sie fühlt sich den Wölfen verwandt und empfiehlt deren „Team“-Verhalten auch Managern, wenn sie erfolgreiche Führungskräfte sein wollen.

Die Unternehmensberaterin Gertraud Höhler veröffentlichte ein Buch mit dem Titel „Wölfin unter Wölfen“ und der US-Unternehmendsberater Twyman Towery landete einen Bestseller mit „Die Weisheit der Wölfe – Wolfsstrategien für Geschäftserfolg, Familie und persönliche Entwicklung“.

Aus China kam ein Wolf-Bestseller, „Der Zorn der Wölfe“ von Jiang Rong, über die Philosophie und Moral des „Wölfisch-Werdens“. Der Autor meint, dass es die kleinteilige chinesische Landwirtschaft war, die aus den Chinesen Schafe gemacht habe: „Sie sind unterwürfig, demütig und passiv. Demgegenüber haben die Mongolen der Steppe Selbstbewusstsein und großen Mut – so wie der Wolf!

Der Wolf passte in den Neoliberalismus wie die Faust aufs Auge, auch wenn hier und da bereits die ersten „Problemwölfe“ schon zum Abschuss freigegeben wurden und so mancher Jäger nicht an sich halten kann und heimlich einen Wolf erschießt.

Wolf oder gut erzogener Schäferhund?

Die Wölfe sind jedoch auch nicht doof, wenn sie sich alleine und am helllichten Tag in Großstädte wie Berlin und Köln trauen. Dann verhalten sie sich so, dass man sie für gut erzogene Schäferhunde hält und nicht groß beachtet.

Die meisten Wölfe leben in Brandenburg, aber inzwischen gibt es auch in den Tagebau-Folgelandschaften in der Oberlausitz einige Wolfsrudel. Der Biologe Fritz Brozio, der dort das Wolfsvorkommen untersucht, berichtet, dass die Wiederaufforstungen extrem unter den Hirschen, Rehen und Wildschweinen leiden.

Die heutigen Jagdpächter aus dem Westen würden noch mehr Tiere durchfüttern als die früheren ZK-Mitglieder, die Millionen für ihre Jagdgebiete und Jagdpaläste ausgegeben hatten. Bronzio betont, dass die jetzigen „Trophäenjäger“ den Wildbestand noch vergrößert hätten. Zur Freude der Wölfe, fügte er hinzu. Leider gäbe es nicht genug Wölfe – das sei die allgemeine Meinung der hiesigen Natur- und Umweltschützer.

Diskutieren Sie mit über die Rückehr des Wolfes auf dem taz lab: Pinke Bühne, 11 Uhr.