Wochenübersicht: Lautsprecher : Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt
Am Dienstag wird im Beamer 84 ein Film über Saddam Hussein und seine internationalen Seilschaften gezeigt. Dergleichen ist offensichtlich nötig, da in letzter Zeit bei einigen Linken nicht nur eine wehe, schmerzensreiche Liebe zu diesem Mann ausgebrochen ist, nein, wenn man etwa wie der legendär eklige Werner Pirker in einem anderen, nun wohl ehemaligen Liebling, Gaddafi, nichts weniger als einen „Kapitulationsführer“ entdeckt, weil jener abrüsten will (und niemand in der jungen Welt protestiert gegen diesen Gebrauch des Wortes „Führer“, der nichts weniger als eine Sehnsucht nach einem solchen offenbart), dann ist Aufklärung vonnöten, Aufklärung selbst über die so offensichtlich übelsten Typen. Am Sonntag dann beginnt am Frankfurter Tor die noch immer größte regelmäßig stattfindende linke Demo der Bundesrepublik, die, je nach Gusto, LLL- oder LL-Demo. Warum nun neben Liebknecht und Luxemburg, deren Gräber ja immerhin im Rahmen dieser Demo aufgesucht werden, auch Lenin genannt werden soll, bleibt unklar, ebenso ungefähr und mehr im Dunkeln verharrend ist der Sinn der Veranstaltung. Da treffen Trotzkisten auf Stalinisten, Nationalisten auf Antinationale und konkurrierende Zeitungen aufeinander. Manchmal gibt es Geschubse. Die PDS protestiert gegen sich selbst. Viel Papier wird verteilt, einige bunte Fahnen werden hochgehalten, die Schalmeienkapelle ist ebenso unvermeidbar wie der verhärmte Mittfünfziger, der ein T-Shirt mit der Aufschrift „Rebel Youth“ trägt. Auf einem Grab wird ein Zettel liegen, mit welchem sich jemand für die DDR bedanken will. Alte Leute verstehen nicht, was die Jugend umtreibt. Warum man dort hingeht, keiner und keine weiß es mehr so genau, es ist halt ein Rummel, zumindest einmal sollte man sich das angetan haben. Schrecklich kalt ist es an dem Tag traditionellerweise auch.