Wochenübersicht: Lautsprecher : Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt
Zwischen den Jahren passiert kaum etwas in dieser Stadt, der organisierte soziale Widerstand ist gemeinsam mit der organisierten Aufstandssehnsucht schlafen gegangen, die kritische Theorie hat sich im Buchregal versteckt, und allerhand postmoderne „Praxen“ haben sich im Vorgarten verlaufen. Professionelle und halbprofessionelle Aktivisten machen es sich zu Hause oder bei ihren Eltern gemütlich, Sekt muss gekauft, der Melancholie Platz gemacht werden, und Familie wird eingeübt. Eine Zeit, Bilanz zu ziehen. Doch was ist im vergangenen Jahr groß passiert? Über die Krieg-Frieden-Frage haben sich die meisten Gruppen endlich unversöhnlich zerstritten. Andere meinen nun, dass die Kürzungen im deutschen Sozialsystem irrelevant und nicht zu thematisieren seien, wieder andere bekennen sich plötzlich mit einer wilden und wehen Liebe zum so genannten „alten Europa“, wenn nicht gar zum Vaterland, dass einem angst und bange werden mag, und ganz allgemein sind Michael Moore und Mathias Bröckers plötzlich zu Leitfiguren aufgestiegen und haben Marx und Engels, Bakunin oder Lenin recht locker, und – wie sagt der Schwätzer gern? – „nachhaltig“ verdrängt. In diesen geistfernen Zeiten ist nicht zu erwarten, dass jemand auf die Idee kommt, dass die Linke vielleicht, die Politik aber keinen Urlaub kennt, und dass ein gruppendynamisches Besäufnis eventuell hilft, innere Spannungen ab- oder Freundschaften aufzubauen, es eine Analyse der Situation, ein Geschichtsbewusstsein oder gar ein Studium der Literatur kaum ersetzen kann. Und weil es nicht zu erwarten ist, werden wir auch ganz mild und empfehlen für den Samstag, passend zum Anfang eines solchen Jahres, das Skatturnier in der Køpi, bei welchem Freund und Freundin ein fesches Blatt spielen und den Teufel den Teufel und den Kanzler Kanzler sein lassen.