Wochenübersicht: Lautsprecher : Jörg Sundermeier sichtet die soziale Bewegung in der Stadt
In der deutschen Literaturerzählung, die ja keine Literaturgeschichte ist, sondern immer die Bewertung von literarischen Texten in Unterordnung unter die jeweilige Herrschaftsform, hat sich folgende Erzählweise durchgesetzt: Brecht war ein Könner, politisch-menschlich jedoch eine miese Sau, da polygam und kommunistisch, Benn hingegen ein unerreichbar großer Meister, der auch mal ein bisschen Mist gebaut hat. Mist heißt hier: Er war Nazi und polygam, bei ihm wird beides als Kavaliersdelikt verbucht. Benns Versuche, sich zu „entschuldigen“, waren übrigens eher verdruckst, und seine Lyrik schlug auch später – wenn auch verbrämter – den hohen Ton der Übermenschlichkeit an. Wenige allerdings sind so perfide wie Günter Grass, der in „Mein Jahrhundert“ den beiden eine „Freundschaft“ andichtete, in der Politik egal ist, solang man nur deutsch bleibt. Kerstin Hensel, Rolf Haufs und der nun wirklich große Rainer Kirsch scheinen ähnlich zu denken, denn sie lesen Brecht und Benn heute zusammen in der Französischen Friedrichstadtkirche. Oje.
Am Mittwoch treffen sich Antifas im Kato, um gegen den „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Wunsiedel am Samstag zu mobilisieren und über den „Marsch“ und seine Geschichte zu informieren.
Am Samstag wird in der Neuköllner Weisestraße straßengefeiert. Da Syndikat und Lunte mitorganisieren, ist davon auszugehen, dass es nicht so ein Bier’n’Bagger-Fest wird, wie es Hermannstraßen- und Karl-Marx-Straßenfest sind. Vielleicht wird’s ja sogar angenehm. Einen Tag später wird die Lunte zum Vorbereitungsort, denn anlässlich der bevorstehenden Anti-Nazi-Demo am 2. September soll dort zunächst geklärt werden, welche Nazistrukturen es in Neukölln und Treptow gibt und was man tun kann, um diese auch abseits der Demo zu bekämpfen.