Wochenübersicht: Kunst : Harald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um
Ein stiller Ort. Wasser schwappt um die aus kräftigen Ahornstämmen gesägten Holzscheiben, die Matti Braun im gefluteten Raum der Galerie Schipper & Krome ausgelegt hat. Wer sich auf den wackeligen Parcours begibt, muss aufpassen, dass er nicht mitten ins künstliche Bassin tappt. Denn die Blöcke sind ungleichmäßig geschnitten und weitläufig auf dem Boden verteilt. Manchmal muss man springen, da fällt es schwer, die Balance zu halten. Insofern bleibt man lieber bei der Anschauung aus der sicheren Distanz der Umrandung. Ergibt der Transfer von Materialien schon Interior-Land-art? Braun sucht den Knackpunkt historischer Zuschreibungen, er weiß um die Spielarten heutigen Natur-Designs, der künstlichen Ansiedlung fremder Vegetation. Zugleich ist er von Settings der Filmindustrie fasziniert – sein „V.S.“ ist eine Hommage an Spielbergs „E.T.“ Diese fiktionale Koppelung führt zweifellos auch auf ungesichertes Terrain …
Wer sich auf Spurensuche in der Natur begibt, geht auf Reisen. Der Amazonas, die Bambuswälder Südostasiens: Chris Wilder hat Exotik und Ferne aufgespürt – in einem Tapetengeschäft von Los Angeles. Darin ist Wilder ganz Armchair-Traveller und ironischer Zitatkünstler zugleich. Mit seiner Siebdruckserie „The Adages of Erasmus“ spannt er den Bogen zwischen der Ruinenromantik der Weltenbummler des 19. Jahrhunderts und den Massentouristen der Gegenwart. Historische Stiche sind auf Tapetenstreifen gedruckt, sodass nun der Anblick des alten Roms, wie er sich etwa einem Lord Byron darstellte, mit der plüschigen Idylle unberührter Seychellenstrände harmoniert. Dahinter verbirgt sich bei Wilder allerdings ein durchtriebenes Referenzsystem, das Betrachtungen zum Naturschönen aus der Tradition humanistischer Philosophie mit Warenkitsch kurzschließt. Bon voyage!