Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Soviel Retro war nie. Nicht bloß die vielen 70er- und 80er-Shows im Fernsehen. Plötzlich ist auch die Operette wieder da. Im Sanatorium „Csárdásfürstin“ des Dr. Kálmán sieht sie zunächst noch etwas ältlich aus. Sie tritt uns in der Gestalt von fünf Fürstinnen gegenüber, denen der Zahn der Zeit schon empfindlich zugesetzt hat. Dann aber schließen die Damen einen Pakt mit dem Geist der Operette. Und was bekommen sie dafür? Ewige Jugend natürlich, und Operettenmelodien satt. Dies könnte nun zuschauerabschreckend wirken, wären die Sophiensæle nicht ein Garant für das Gegenteil. Regisseurin Beáta Nagy hat sich mit der Operette eines ziemlich kränkelnden Genres angenommen und wir sind sicher: hier zeichnet sich ein akuter Heilungsprozess ab.Zur Vorbereitung konnte man sich übrigens in den letzten Wochen ins Freilichttheater Zitadelle begeben, wo der Spandauer Sommer ebenfalls eine Operette bot: „Polenblut“, die erfolgreichste Komposition des tschechischen Komponisten Oskar Nedbal, 1913 in Wien uraufgeführt. Die Geschichte spielt im besetzten Polen vor dem Ersten Weltkrieg, und wer genau hinhörte, hörte zwischen den Tönen und Liebesarien das alte Europa wie die Titanic knirschen – nachdem sie mit dem Eisberg kollidiert war.Wer in den Sommerwochen zwischen Mecklenburg und Straßburg ein Schiff sichtet, das aussieht, als komme es aus einer anderen Zeit, hat es allerdings mit dem Theaterschiff des OstEndTheaters in der Boxhagener Straße zu tun. Gespielt wird längsseits, und man weiß nie so genau, wann und wo. Die Zuschauer sitzen und liegen dann am Ufer. Auf dem Schiffsdach des seltsam fantastisch ausstaffierten Schiffs werden Musik, Feuershow, Geschichten und Pantomime dargeboten. „Uns zu sehen, heißt Glück und Zufall“, sagen die OstEndTheaterspieler.