Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Fast ist vor lauter Dauerfestival im HAU oder den Sophiensæelen untergegangen, dass es seit dem Herbst in Berlin ein neues, internationales Theaterfestival gibt. Vielleicht, weil es im Oktober ausgerechnet mit Luc Bondys Inszenierung von Martin Crimps „Cruel and Tender“ begonnen hat, einer hochkarätigen Produktion, die allerdings auch in andere und vor allem ältere Berliner Festivalformate gepasst hätte. Nicht so sehr jedoch als Auftakt für „spielzeiteuropa“, dem Theaterfest der Berliner Festspiele, die damit herausragende europäische Theaterproduktionen nach Berlin holen wollen. In diesem Jahr liegt ein Schwerpunkt auf Ungarn. In der letzten Woche war das Ungarische Nationaltheater in der Schaperstraße zu Gast. Dieses Wochenende ist das Csiky Gergely Theater, Kaposvár, mit „Nur ein Nagel“, einem mystisch-folkloristischen Musiktheaterstück über die Kultur ungarischer Roma im Haus der Berliner Festspiele zu sehen. In der Kastanienallee geht heute Abend die Prater-Saga in die zweite Runde. Twopence-Twopence, Diabolo, Sugarmamie und Mr. Bigman konfrontieren uns wieder mit okkulten Ökonomien. Diesmal experimentiert der ansonsten in Personalunion operierende Autor und Regisseur René Pollesch mit dem System der Arbeitsteilung: er lässt inszenieren, und zwar den niederländischen Kollegen Jan Ritsema. Nicht weniger okkult sind auch die Gesellschaftsszenarien des New Yorker Dramatikers Nicky Silver, die nicht mehr von simplen Stadtneurotikern, sondern oft schon von deutlich schweren Fällen bevölkert werden. In seinem Stück „Zwillingsbrut“ in der Vagantenbühne geht es um Sebastian und Bernadette, zwei emotional geschädigten Großstadtmenschen mit seltsamen Vorlieben. In den Kammerspielen des Deutschen Theaters ist ab Mittwoch Jürgen Kruses Variation von Shakespeares „Othello“ zu sehen.