Wochenübersicht: Bühne : Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen
Dass auch Komödien der Ernst des Lebens zusetzen kann, erfahren zurzeit die beiden Boulevardtheater am Kurfürstendamm. Ihr Vermieter will nämlich ihre Spielstätten abreißen, um die Rendite der Immobilie, in der sie sich befinden, durch lukrativere Gewerbeflächen zu optimieren. Deswegen braucht sich Katharina Thalbach wahrscheinlich um Publicity für ihre erste Inszenierung in einem der abrissbedrohten Häuser am Kurfürstendamm keine Sorgen zu machen. Trotzdem ist uns Oscar Wildes „Ernst – und seine Tiefere Bedeutung“ eine dringende Empfehlung wert. Nicht nur, weil Katharina Thalbach selber mitspielt, sondern auch weil das Stück dank einer neuen Übersetzung hierzulande erstmalig in seiner ursprünglichen vieraktigen Fassung zu sehen ist. Dass Theater nicht zwingend auf konventionelle Spielstätten angewiesen ist, hat auch das HAU unter Beweis gestellt. Am Samstag lädt man nun ins Bordell zu einem dokumentarischen Theaterabend über sexuelle Dienstleistung, den Regisseurin Annette Kuss aus Gesprächen mit erotischem Fachpersonal destillierte. Weil es sich bei allem Kulturanspruch bei „Freudendienste“ doch um „adult pleasures“ handelt, legen die Veranstalter Wert auf Volljährigkeit des Publikums. Ebenfalls um Liebe, allerdings um romantische und am Ende tödliche, geht es in Schillers Trauerspiel „Kabale und Liebe“, das Gisbert Jäkel, einst Andrea Breths Bühnenbildner an der Schaubühne, jetzt für das Potsdamer Hans-Otto-Theater inszeniert. Der Theaterdiscounter präsentiert morgen mit „Die Schwierigen“ auf der Basis eines Stücks von Hugo von Hoffmannsthal den dritten und letzten Teil von Georg Schareggs Projektreihe „Festung Europa“. Diesmal geht es um das Leben in einer Gesellschaft, in der sich jeder nur noch mit sich selbst beschäftigt, weshalb er das Leben als permanente Überforderung erfährt.