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Wochen-PostRettet die Feldmark!

■ Haase und Akazien in Lichtenrade

So arglos, treuherzig und so erbarmungswürdig blöd trug Professor Dr. Herwig Erhard Haase (52) die Geschichte der Akazien vor, die er in Nachbars Garten gefällt hat „mit der Kettensäge, ja“, daß die Reporter ihr Glück kaum glauben konnten und die Leser und Zuschauer recht unterhaltsame fünf Minuten mit dem Bericht übers Leben in Lichtenrade zubrachten. 100.000 Mark Geldstrafe kann es kosten, einen Baum ohne Genehmigung zu fällen; Haase dachte, das gelte nicht für „wild gewachsene Bäume“. Was der Mann zu seiner Verteidigung vorbringt, ist wonnevoll: Man sollte ihn zum Oberförster machen, dann blieben nur noch die Bäume im Berliner Walde, die auf ausdrückliche Anordnung eines CDU-Senators gepflanzt wurden und ihren Legitimationsschein nicht verloren haben.

Die Bürgerinitiative, die die neueste Haase-Posse anzeigte, nennt sich „Rettet die Mariendorfer Feldmark!“, und der erhabene Retterton trägt erheblich zur Drolligkeit bei. Die sollen mal aufpassen, daß nicht zum Schluß sie die Dummen sind. Denn nach der durch Kohl und Diepgen verifizierten These, daß das Volk es honoriert, wenn seine Repräsentanten nicht gewandter, eloquenter und sympathischer sind als sein tief geschätzter Durchschnitt, könnte die Akazienfällerei dem Parlamentspräsidenten Haase zu dringend benötigter Popularität verhelfen. Ein leiser Hang zur Selbstjustiz, wenn er bei Konservativen auftritt, hat denen beim Wahlvolk noch selten geschadet, zumal fairerweise anzunehmen ist, daß der Gesetzesbruch selbst in Lichtenrade nicht auf Haase und nicht aufs Bäumefälllen beschränkt ist und verstockte Sünder gern wissen, daß sie a) nicht allein sind oder b) andere einer Strafe zugeführt werden, was die Aufklärung ihrer Frauenschänderei und Steuerhinterziehungen statistisch unwahrscheinlicher macht.

Wie ärgerlich nur, daß Leute wie Haase schließlich wegen solcher Torheiten und nicht der schlechten Qualität ihrer alltäglichen Arbeit wegen stürzen werden. Als ginge es um die Mariendorfer Feldmark. Es geht um Berlin! Er war ein schlechter Verkehrssenator, ist ein unfähiger Parlamentspräsident. Was denn noch? Und jetzt sollen acht abgesägte Akazien „mit der Kettensäge, ja“ den Job tun, den die CDU nicht tat, die Wähler nicht, die Parlamentarier?

Hauptstadtqualitäten entdeckt man an Berlin leicht an unvermuteten Stellen. Die Überschätzung von Natur (und Staatsanwaltschaft, naturgemäß) gehört gewiß zu den als typisch deutsch zu erachtenden Eigenschaften, die die Berliner aufs hübscheste dazu qualifizieren, der Deutschen Hauptstädter genannt zu werden. Mechthild Küpper

wird fortgesetzt

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