: Wo aber bleibt der schöne Hollywoodkitsch?
■ In der Schauburg durchwachten 250 Kinofanatiker die Oscar-Nacht/ Buhrufe für Forrest Hanks, ein „Oooch“ für Uma Thurman
“And the winner is Tom Ha...“ – „Buh, Buh, Buh!“ Wenn es nach dem Bremer Publikum bei der diesjährigen Oscarverleihung gegangen wäre, hätten „Forrest Gump“ und Tom Hanks keine Chance gehabt. Als er zur Bühne ging, um seine Trophäe in Empfang zu nehmen, wurden sogar Beleidigungen gegen die Fernsehprojektion geschleudert. Hier regierte eindeutig die „Pulp Fiction“ Fraktion. Bei jeder noch so kurzen Nahaufnahme von John Travolta, Uma Thurman oder Quentin Tarantino wurde stürmisch geklatscht und gejubelt. Die Atmosphäre im fast vollbesetzten Kino-saal erinnerte an Sportereignisse: Hier saßen die Fans des jungen Außenseiters und auf der Leinwand konnte man jene auf den teureren Plätzen sehen, die natürlich alle auf den Favoriten gesetzt hatten.
Es war ja auch schon eine beachtliche sportliche Leistung, sich morgens um vier Uhr frisch und adrett ins Kino zu begeben, um dort dreieinhalb Stunden gespannt auf die paar schönen Momente zu warten – all den langen Dankesreden und Showeinlagen zum Trotz. „Kitschig, selbstherrlich und peinlich“ nennt der englische Filmkritiker Philip French die Oscarverleihung – von all dem hätte es ruhig noch etwas mehr sein können, denn leider überwogen nicht die Exzesse sondern Ruhe und Ordnung. Immerhin gab es einige böse Lacher über den häßlichen Hut von Helen Mirren, das verkrampfte Lächeln von Elton John (der für seine Schmalzfanfaren in Disneys „König der Löwen“ ausgezeichnet wurde) und vor allem die völlig verunglückte deutsche Moderation von Udo Kier, der allerdings nur in den Werbepausen von „Premiere“ ein wenig haspeln und zittern durfte.
Immer wenn ein Star zu sehen war, und sei es auch nur für Sekundenbruchteile, gab es laute und sehr eindeutige Reaktionen: Keanu Reeves „geile Frisur“ kam sehr gut an, bei Stallone wurde gebuht, bei Schwarzenegger gelacht. Keiner hatte so recht Mitleid mit der verlierenden Jodie Foster, aber der traurige Blick von Uma Thurman wurde von einem „Oooch“ aus vielen Kehlen begleitet.
Wirklich spannend wurde die ganze Veranstaltung erst, als kurz vor den wirklich wichtigen Kategorien für einige Minuten die Technik ausfiel, nichts mehr auf der Leinwand zu sehen war, und man befürchten mußte, den Höhepunkt zu verpassen und ganz umsonst die halbe Nacht durchzuwachen. Da hätte es wirklich Ärger in der Schauburg gegeben, aber zum Glück war das Bild schnell wieder da. So richtig böse war dann auch keiner darüber, daß „Pulp Fiction“ nur den relativ unbedeutenden Drehbuch-Oscar abbekam. Direkt aus dem warmen Kinosaal ging es dann ins morgendliche Bremer Schneetreiben. Hat sich das frühe Aufstehen gelohnt ? Immerhin waren wir live mit dabei in Hollywood! Wilfried Hippen
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