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Wißt ihr überhaupt noch, was ihr schreibt? –betr.: „Unterm Strich“, taz vom 7. 1. 99

Zum Tod von Michel Petrucciani vermeldet ihr unter anderem: „Seine Fingerfertigkeit und seine Virtuosität an den Tasten ließen die Kritik, die Zuhörer und wohl auch ihn selbst seine Behinderung zeitweilig vergessen.“ Wißt ihr überhaupt noch, was ihr schreibt? Oder rasselt ihr einfach nur herunter, was eben alle herunterrasseln?

[...] Abgesehen davon, daß es für einen Mann mit Glasknochen aberwitzig ist, seine Behinderung zu vergessen, weil er sich dabei schlimme Knochenbrüche zuziehen kann, hat Petrucciani wie jeder große Musiker sicher Musik um der Musik willen gemacht. Irgendwie braucht einer nur verkrüppelt zu sein, und schon wird er vom weltweit beachteten Jazzpianisten zum musiktherapeutischen Sonderfall. Das ist diskriminierend – nicht nur für Petrucciani, sondern überhaupt für Leute mit Behinderungen. Aber möglicherweise denkt ihr ja so.

Völlig hirnrissig finde ich allerdings, daß ihr meint, seine Zuhörer hätten bei seiner Musik seine Behinderung vergessen. 1. sind sie gekommen, um Spitzenjazz von Petrucciani zu hören, nicht um seine Behinderung zu vergessen. 2. kann man eine derart prägnante Behinderung wie die Petruccianis nicht einfach vergessen. Sie spielte für seine Zuhörer nur kaum eine Rolle, weil sie guten Jazz mochten und von ihm zu hören bekamen. Matthias Vernaldi, Berlin

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