Wirschaftskriminalität 2010: Anonymität schützt Straftäter im Netz
Online geshoppt und nichts bekommen: Jedes 4. Wirtschaftsdelikt wird via Internet begangen. Laut BKA ist die Aufklärungsquote niedrig, der Schaden groß.
BERLIN taz | Betrügereien bei Internetkäufen nehmen zu. Das teilte Jörg Ziercke, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), am Mittwoch in Berlin mit. Auch insgesamt gab es im vergangenen Jahr mehr Fälle von Wirtschaftskriminalität, in denen das Internet eine Rolle spielte: Ihre Zahl stieg um 190 Prozent auf rund 31.000 Fälle. Das sei eine logische Konsequenz des veränderten Konsumverhaltens der Bevölkerung, so Ziercke.
Am häufigsten werde das Internet bei Betrugsdelikten eingesetzt, beispielsweise auf Verkaufsplattformen, auf denen Betrüger Waren anbieten, die nach der Bezahlung nicht geliefert werden. Die Überweisung ginge dann, mit dem Hinweis auf technische Probleme, ins Ausland. Die Transaktion könne nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Laut BKA ist es schwierig, die Straftaten im Netz zu ahnden. Nur 30 Prozent werden aufgeklärt, während die Aufklärungsquote bei allen Delikten der Wirtschaftskriminalität mit 91 Prozent relativ hoch ist. Das begründet Ziercke unter anderem mit der Anonymität, mit der sich Straftäter im Internet bewegen können.
An der gesamten Kriminalität haben Wirtschaftsdelikte prozentual nur einen kleinen Anteil. Von allen polizeilich bekannt gewordenen Straftaten lassen sich 1,7 Prozent diesem Bereich zuordnen. Allerdings werden sie häufig gar nicht erst angezeigt, weil betroffene Unternehmen "Image- und Reputationsverluste" befürchteten, so Ziercke. Die interne Schadensbegrenzung stehe oftmals an erster Stelle. Trotzdem geht es um große Summen.
Im Jahr 2010 entstand durch Wirtschaftskriminalität ein Schaden von gut 4,7 Milliarden Euro. Lediglich rund 380 Millionen seien davon "vorläufig gesichert" worden. Neben den finanziellen Einbußen für Privatpersonen, Firmen oder Behörden verweist Ziercke auf eine Reihe von Schäden, die sich nicht direkt in Euro und Cent bemessen lassen, wie Wettbewerbsverzerrungen oder Krankheiten durch Verstöße gegen das Arbeitsschutzrecht, das Umweltstrafrecht oder das Lebens- und Arzneimittelgesetz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern