: „Wir müssen eine Altherrenpartei verhindern“
Katina Schubert bewirbt sich heute in Essen auf Platz 2 der Landesliste der Linkspartei. Die PDSlerin will in der „Herrenriege“ auf eine Frauenquote bestehen. Sie kritisiert die Frontmänner Lafontaine und Gysi: Die beiden sollen auch mal schweigen
INTERVIEW:ANNIKA JOERES
taz: Sie wollen heute auf einen sicheren Listenplatz in dem Männerverein Linkspartei gewählt werden – neben Gysi, Lafontaine und Co. scheint kein Platz für eine Frau in der Linkspartei zu sein.
Katina Schubert: Sie haben noch Bodo Ramelow vergessen... Es stimmt: Das, was von der Wahlalternative hinzukommt, sind vor allem Männer in nicht mehr jungen Jahren. Als Frau ist es nicht einfach, in diesen männerdominierten Zirkeln zu bestehen, dort gibt es zu wenig Verständnis für feministische Politik.
Auch die PDS hat keine Frontfrauen.
Das stimmt so nicht. Die letzten drei Jahre waren es zwei Frauen, die die PDS im Bundestag repräsentiert haben. Aber wahr ist, dass sie im Westen männerdominiert ist. Und jetzt verstärkt sich das Bild noch: Oben sind Männer über 50 Jahre, die schon vieles hinter sich haben.
Das Saarland und Baden-Württemberg haben die PDS-Frauenquote von 50 Prozent bei der Aufstellung der Landeslisten kurzerhand abgeschafft.
Ja, leider. Das ist vor allem deswegen passiert, weil die WASG keine Frauen vorgeschlagen hat. Und die PDS war nicht bereit, dann auf ihre Männer zu verzichten. Im PDS-Statut ist die Quote von 50 Prozent fest geschrieben, und das Statut gilt auch für die Linkspartei. Da rücken wir nicht von ab. Wir in NRW werden das einhalten.
Aber auf Platz eins sitzt felsenfest Lafontaine. Warum steht er als Alleinherrscher da?
Er und Gysi haben eine lange Parteigeschichte und erstmalig finden sich zwei Ost- und Westmatadore zusammen. Aber er ist kein Alleinherrscher. Und dann hat Gesine Lötzsch, die jahrelang die PDS im Bundestag vertreten hat, keinen Platz mehr. Klar müssen jetzt die Frauen sehen, dass auch sie das Bild der Linkspartei verstärkt prägen.
Die Frauen müssen wieder kämpfen. Wäre es nicht an der Zeit, Lafontaine und Gysi treten ein bisschen aus dem Scheinwerferlicht?
Ach, da bin ich Realistin. Gysi war ja sogar einmal Frauensenator (lacht herzlich), er ist sozusagen ein Feminist des Herzens. Er und Lafontaine können zwar sagen: Jaja, wir treten kürzer, das wird aber nicht so sein. Der Druck der Medien ist zu groß.
Die beiden drängen doch selbst auf Christiansens Couch.
Ja klar, die beiden sind eitel bis zum Anschlag, das ist kein Geheimnis. Appelle in dieser Beziehung sind also völlig sinnlos. Die Mitglieder müssen nun verhindern, dass die Linkspartei zu einer Altherrenpartei verkommt.
Wie wollen Sie das verhindern?
Wir brauchen Mentoringprogramme wie im Osten: Dort werden Frauen und junge Menschen gezielt angesprochen und politisch ausgebildet, sie können Kotakte knüpfen, werden in die Parteiarbeit eingebunden. Das brauchen wir für den Westen noch viel Stärker, weil hier die Mitgliedschaft viel männlicher ist und mit den WASGlerInnen die Zahl älterer Gewerkschaftsfunktionäre steigt. Sie haben oftmals ein völlig anderes feeling für Politik als junge Leute. Für junge Menschen sind die frustrierten Gewerkschaftsfunktionäre nur sehr schwer aushaltbar.
Wie halten sie denn Lafontaines Äußerungen zu Fremdarbeitern aus? Immerhin sind sie innenpolitische Sprecherin des Bundesvorstandes.
Da gibt es tatsächlich riesige Differenzen, die müssen wir auch öffentlich austragen. Wir sagen: Alle die hier leben, haben die gleichen Rechte. Wir wollen offene Grenzen für Menschen in Not. Lafontaine war schon früher ein Befürworter des Asylkompromisses, der die Rechte für Flüchtlinge stark eingegrenzt hat. Seine rechtspolitischen Äußerungen waren grenzwertig und die zum Thema Folter inakzeptabel. Er sollte sich nicht zu jedem Thema äußern.
Also Redeverbot für Oskar?
Nein, aber er hat eine Minderheitenposition, die er nicht ständig wiederholen muss. Das hat er selbst schon gesagt. Wir wollen eine Vereinbarung darüber, wer sich wozu äußert. Es ist nicht sinnvoll, dass nur Gysi und Lafontaine, unsere beiden Recyclingpolitiker, zu allen Themen sprechen.
Er wird sich nicht daran halten.
Natürlich ist Lafontaine kaum zu beeinflussen. Aber wir haben ein Wahlprogramm, in dem unsere Flüchtlings und Migrationspolitik fest geschrieben steht, das kann er nicht einfach ignorieren.
Sie fordern die Überwindung des Kapitalismus – harter Tobak für die EX-SPDler in der WASG. Warum sollten sie heute von der WASG gewählt werden?
Heute wählen die Mitglieder der Linkspartei, ehemals PDS, die Landesliste, nicht die WASG. Ich habe immer gesagt, der Kapitalismus muss überwunden werden, um eine sozial gerechtere Gesellschaft zu erhalten. Wir müssen dem Sozialabbau eine Alternative entgegen setzen. Die WASG kann nicht nur ein Stopp-Zeichen in die Höhe halten, wir brauchen auch eine reale Veränderung.
Was ist denn für sie links an der Linkspartei?
Demokratischer Sozialismus als Ziel gesellschaftlicher Veränderung ist Grundsatz der Linkspartei. Dazu zählt der unbedingte Wille, die gesellschaftliche Unterdrückung zu bekämpfen. Vor allem drei: die kapitalistische, die patriarchale und die rassistische Unterdrückung. Für mich ist zum Beispiel der Feminismus kein Nebenwiderspruch, wie für orthodoxe Linke.
Mit diesem Programm sind Sie einigen WASG-Mitgliedern zu radikal, einigen PDSlern hingegen sind sie zu rechts, weil sie eine Regierungsbeteiligung befürworten.
Es stimmt, in NRW werde ich es nicht einfach haben. Vielen bin ich zu sehr Realo.
Neben ihnen werden auch Ulla Lötzer aus Essen und Ingrid Kolbe aus Duisburg für den zweiten Platz kandidieren. Wie groß sind ihre Chancen?
Das kann ich nicht einschätzen. In Nordrhein-Westfalen ist es immer ungewiss, welche Mehrheiten sich zusammen schließen, das ist reines Vabanque-Spiel – außer für Lafontaine.
Bei den derzeitigen Prognosen erhält die Linkspartei zehn bis zwölf Prozent. Was passiert nach dem Hype?
Er wird langsam weichen und einen realistischen Blick auf das Projekt zulassen. Jetzt hat sich gerade mit Ost und West, Gysi und Lafontaine, eine einmalige Konstellation ergeben. Ob wir inhaltlich zusammen passen, wissen wir noch gar nicht. Die politische Auseinandersetzung wurde durch die Neuwahlen aufgeschoben. Die beiden Parteivorstände von PDS und WASG haben sich darauf geeinigt, nach den Bundestagswahlen die Fusion von Linkspartei und WASG anzustreben. Wie diese Partei aussehen wird, weiß kein Mensch. Ich halte zehn Prozent für realistisch.
Was ist denn das inhaltliche Geschenk der WASG an die PDS?
Die WASG hat hier im Westen die Angst vor der PDS genommen. Hier ist es immer noch nicht normal wie in anderen europäischen Ländern, links von der SPD eine Partei zu haben. Der Osten ist vielen Wald- und Wiesen-WestlerInnen fremd, sie fahren höchstens nach Rügen.
Das sind wieder strukturelle, keine inhaltlichen Geschenke.
Mmh, inhaltlich sehe ich da wenig Neues. Ihre Forderungen sind im Wesentlichen die alten der PDS.