■ Wir lassen lesen: Fußballkatalog zum Herumblättern
Aha, ein Fußballbuch. Das zeigt das kolorierte, historische Titelfoto mit einem Torwart und lauter Lümmeln auf dem Tornetz. Der Titel läßt eine mächtige Abhandlung befürchten: „Der Ball gehört uns allen. Fußball – Fieber – Forschung – Fakten – Fans – Faszination“. Aber die Angelegenheit ist nicht so ernst. Denn da steht nicht bloß der Autorenname, sondern: „Coach: Werner Pieper“. Aha, ein eher lustiges Buch also.
Denn bei diesem kleinen Einbandscherz schwant dem Kenner der Humorliteratur, daß dieser Werner Pieper jener ist, der dem deutschen WG-Badezimmer das Standardwerk „Das Scheißbuch“ schenkte und es über drei weitere Kompendien bis zu „Eene meene Mopel – die Nase & der Popel“ gebracht hat. Das Vorteilhafte an diesen Büchern ist, daß man in ihnen herumblättern kann wie im Quellekatalog – hier verweilen, da weiterschlagen, dort in Begeisterung ausbrechen; oder auch einfach wieder aufhören, wenn man das Klo verläßt oder das Telefon klingelt, oder es Zeit zum Abendessen ist. Übermäßige Konzentration ist ungefähr so wichtig wie bei einer Live-Übertragung des DFB-Pokalspiels Borussia Dortmund gegen SSV Ulm.
Eine schöne Entspannung also. Und so ist auch das „Medienexperiment“ (Eigenname der Pieperschen Produktionen) „Der Ball gehört uns allen“ angelegt. Man kann sich beim ziellosen Blättern durch zehn Kapitel mit 62 Beiträgen wahlweise in anatomischen Betrachtungen zum Fuß versenken oder im Nachweis der Schädlichkeit von Kopfbällen, oder in Hymnen auf den guten Fan (der in seiner Idealgestaltung bekanntlich St. Paulianer ist), oder in Anrissen der Außenseiterprobleme (was Frauen, Afrikaner und Schwule zusammenfaßt), oder in der harten Recherche „Warum ausgerechnet 11?“, oder, oder, oder. Hört sich wild durcheinander an und ist es auch, zudem entsprechend der großen Spannweite sehr kurz- bis eher langweilig.
Das ganze Fußball-Medienexperiment bleibt unbefriedigend vor allem wegen seiner unverbindlichen Beliebigkeit. Zumal Pieper sich auch nicht entscheiden mochte, ob seine persönliche Fußball-Liebeserklärung nun spaßig oder ernst, nüchtern informativ oder chaotisch durchgeknallt sein soll. Also gibt es häppchenweise von allem etwas.
Bei Scheiß- und Popelbüchern bringt diese Rezeptur mit vielen Ingredienzen, die man mit leichter Hand verquirlt, ein schmackhaftes Resultat, weil allein schon die Ideen originell sind. Aber Fußballbücher gibt es viele – und dieses erhebt nicht einmal übermäßig Anspruch auf Originalität. Neben den Beiträgen Piepers wimmelt es von Zitiertem und Nachgedrucktem aus anderen Fußballbüchern (sowie Lexika und Zeitungen). So etwa nach dem Motto: Das Beste aus den besten 54 Fußballbüchern, die ich kenne.
Zum Herumblättern auf dem Klo, wie gesagt, taugt „Der Ball gehört uns allen“ vorzüglich. Das Quellenverzeichnis gibt schließlich auch noch Anregungen zum intensiveren Bücherstudium auf dem Sofa. Und die Rezensentin gibt zum Schluß ihrer fußballerisch-feministischen Pikiertheit Ausdruck darüber, daß Werner Pieper sein Buch neben einigen männlichen Zeitgenossen auch Frauen gewidmet hat und zwar „allen Frauen, die Verständnis für das Verhalten der Männer aufbringen ... when saturday comes...“ So gesehen hätte ich mir diese Zeilen wohl sparen können. Katrin Weber-Klüver
Werner Pieper: „Der Ball gehört uns allen“. Werner Piepers Medienexperimente, Der Grüne Zweig 153; 200 Seiten. 25 Mark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen