piwik no script img

Wildtiere machen sich die Stadt zu eigenFuchs und Hase sagen Hallo

Säugetiere auf der Landflucht: Der Fuchs hat sich bereits über das ganze Stadtgebiet ausgebreitet, von Osten her kommt der Feldhase bis nach Mitte. Beide verlieren die Angst vor dem Menschen.

Hier noch auf der Landflucht, bald schon in Berlin: Ein Fuchs. Bild: AP

Feiern zum zehnten Berliner Naturschutztag

Wildfleisch gab es nicht beim Mittagsbuffett des zehnten Naturschutztages. "Schließlich weiß man nicht, ob das Tier, das man verzehrt, mit Bleimunition geschossen wurde und sich Reste davon im Fleisch befinden", sagte Torsten Hausschild, Vorstandsvorsitzender des Nabu Landesverbandes Berlin. Bleimunition sei daher nicht nur für für Tiere gefährlich und müsse verboten werden, forderte er.

Vorige Woche war das letzte Berliner Seeadler-Pärchen an Bleivergiftung gestorben. Es hatte von Jägern zurückgelassene Tiere gefressen, die mit bleihaltigen Teilmantelgeschossen erlegt und nicht gefunden worden waren.

Auch ansonsten zogen die Naturschützer eine nüchterne Bilanz der letzten zehn Jahre. Neben unzureichender finanzieller Unterstützung fehle vor allem Einsatz von Seiten der Politik, sagte Nabu-Landesgeschäftsführerin Anja Sorges. "Der Naturschutz steht nach wie vor hinten an. Es fehlen Ansprechpartner in der Politik. Deswegen geht vieles mehr als nur schleppend voran."

Außerdem stünden 44 Prozent des Berliner Gesamtartenbestandes auf der Liste gefährdeter Tier- und Pflanzenarten. Der Grund dafür liege in der zu langsamen Ausweisung neuer Schutzgebiete. Als Beispiel nannte Sorges das ehemalige Militärgelände des Biesenhorster Sand.JUDITH NOACK

An so manchen Nachbarn haben sich die Berliner inzwischen gewöhnt: Wildschweine, Biber oder Waschbären sind in der Hauptstadt längst keine Seltenheit mehr. Von der menschlichen Öffentlichkeit bislang wenig beachtet wurde dagegen der Feldhase. Dabei mache sich das Langohr leise, still und heimlich überall in Berlin breit, erklärte Dieter Köhler von der Nabu-Fachgruppe Säugetierschutz in seinem Vortrag beim 10. Naturschutztag am Samstag in der Kreuzberger Jerusalemkirche. Köhler selbst nahm vor einiger Zeit die Stadthasen in seinem Wohngebiet Marzahn-Hellersdorf erstmals wahr. "Die größte Chance, Hasen zu sehen, hat man, wenn man zwischen 5 und 8.30 Uhr unterwegs ist." Die Stadthasen hätten es aber auch schon ins Zentrum geschafft: So seien sie auf dem Gelände der heutigen O2-Arena oder auf dem ehemaligen Zentralfriedhof nahe dem S-Bahnhof Storkower Straße zu sehen.

Überhaupt ist der Osten Berlins laut Köhler das stärkste Verbreitungsgebiet der Feldhasen. Und sie verweilten gerne in der Nähe von Schulen: Die Umzäunungen und die angrenzenden Büsche seien ein guter Schutz für den Nachwuchs. Die Stadt biete für Hasen aber nicht nur viele Versteckmöglichkeiten: Hier herrschen meist auch mildere Temperaturen als auf dem Land, das Nahrungsangebot sei größer, sie würden nicht gejagt und es gebe weniger Feinde.

Allerdings habe der Stadthase Konkurrenten, so Köhler: die Kaninchen. Doch die bewohnten vorwiegend den Westen der Stadt. Andere Gefahren stellten die zunehmende Bebauung der Stadt dar sowie der Straßenverkehr. Doch Köhler glaubt, die Eroberung der Stadt durch die Hasen sei durch derlei Widrigkeiten nicht aufzuhalten: "Sie haben erfolgreich gelernt, die Straße zu überqueren." Auch vor dem Menschen verlören sie ihre Scheu, wie Köhler erleben konnte: "Einer rannte 1,5 Meter neben mir auf dem Fahrrad eine Weile her."

Eine geringe Fluchtdistanz weisen auch die Feinde der Stadthasen auf: die Füchse. Mit dessen Heimischwerden in der Stadt befasste sich der Vortrag von Konstantin Börner, der an der Humboldt-Universität (HU) Biologie studiert hat. "Vor 100 Jahren wurde der Fuchs noch als ein scheues Waldtier beschrieben, aber man sieht, er ist sehr anpassungsfähig", so Börner.

Der erste Fuchs sei 1959 im Berliner Tierpark entdeckt worden. Seitdem entwickele sich der Fuchs in der Nähe der Menschen weiter. Über das ganze Stadtgebiet habe er sich bereits ausgebreitet, so der Biologe. Füchse wüssten zum Beispiel sehr gut, wo sie Nester für den Nachwuchs bauen könnten - etwa an den Gleisen in der Nähe von S-Bahn-Haltestellen. Und Füchse wüssten gut, wo sie Nahrung bekommen: Zu über 50 Prozent ernähre sich der Fuchs von dem, was der Mensch wegwirft und seinen Hunden und Katzen zu fressen gibt. Das habe eine Auswertung von über 800 Mägen von Berliner Füchsen ergeben, die an der HU durchgeführt wurde. "Der Fuchs kennt die Stellen, an denen die Hunde und Katzen gefüttert werden", sagt Börner. Sie fräßen aber auch Vögel, Nager und andere Tiere, meist, wenn sie diese als Aas vorfinden.

An Nahrung mangele es den Füchsen in Berlin jedenfalls nicht. Auf die Entwicklung der Tiere habe das natürlich positive Auswirkungen: Künftig sei mit noch viel mehr Füchsen zu rechnen, so Börner. Allerdings würden die Tiere in der Regel nur zwei Jahre alt. Und sollten es zu viele werden: Sie sind im Gegensatz zu den Stadthasen zur Jagd freigegeben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!