Wikipedia protestiert gegen US-Zensurgesetz: Das Internet sieht schwarz
Wikipedia und andere Netz-Anbieter protestieren am Mittwoch mit schwarzen Seiten gegen das US-Zensurgesetz SOPA. Unterdessen öffnen sich die Republikaner für Verhandlungen über das Gesetz.
NEW YORK/BERLIN dpa/taz | Das Flaggschiff der Wikipedia bleibt am Mittwoch für einen Tag abgeschaltet: Die englischsprachige Ausgabe der Online-Enzyklopädie zeigt dann nur eine Protestnote gegen zwei Gesetzesinitiativen in den USA, die mit Netzsperren gegen die Anbieter von Schwarzkopien im Internet vorgehen will. "Bei einer Verabschiedung hätten beide Gesetze verheerende Folgen für das freie und offene Web", erklärte die Wikimedia Foundation, die das freie Wissensprojekt betreibt.
Der Entscheidung vom Montag ging eine breite Meinungsbildung voraus, an der mehr als 1.800 Autoren von Wikipedia-Artikeln mitwirkten. Dies sei die bislang höchste Beteiligung bei einer Wikipedia-Diskussion, was die große Besorgnis angesichts der geplanten Gesetze zum Ausdruck bringe, erklärte Wikimedia.
Die Abschaltung des Angebots beginnt am Mittwoch um 6.00 Uhr (MEZ) und dauert 24 Stunden. Wikipedia-Gründer Jimmy Wales schrieb im Kurzmitteilungsdienst Twitter, Schüler und Studenten sollten ihre Hausaufgaben früh erledigen, weil "Wikipedia am Mittwoch gegen ein schlechtes Gesetz protestiert". Die deutschsprachige Wikipedia wird weiter zugänglich sein, aber voraussichtlich einen Protestbanner in Solidarität mit der Aktion in den USA anzeigen.
Auch zahlreiche andere Internet-Angebote protestieren am Mittwoch mit Abschaltungen oder Bannern gegen die Gesetzesinitiativen mit den Bezeichnungen SOPA (im Repräsentantenhaus) und PIPA (im Senat), die eine schärfere Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen zum Ziel haben. Twitter-Vorstandschef Dick Costello lieferte sich eine Kontroverse mit Wales und anderen, in der er eine Abschaltung zunächst als "dumm" bezeichnete, dies später aber relativierte. Twitter sei auch gegen SOPA, halte die Abschaltung des globalen Internet-Dienstes aber nicht für sinnvoll.
Keine Abstimmung ohne Konsens
Der Gesetzentwurf für SOPA (Stop Online Piracy Act) wurde am 26. Oktober 2011 vom republikanischen Abgeordneten Lamar Smith aus Texas vorgelegt. Zurzeit berät der Justizausschuss der Parlamentskammer über SOPA.
Unterdessen ist das Gesetz vielfach kritisiert worden. Experten des Weißen Hauses hatten vor einer Gefährdung der Meinungsfreiheit gewarnt und sogar der Initiator Smith will inzwischen eine umstrittene Passage aus dem Gesetz streichen. Der Vorsitzende der Republikaner im Repräsentantenhaus, Eric Cantor, gab bekannt, das Gesetz werde erst zur Abstimmung vorgelegt, wenn kritische Passagen diskutiert und ein Konsens erreicht worden seien.
Der Senat, die zweite Kongresskammer, stimmt am 24. Januar zunächst über Verfahrensfragen bei der Behandlung eines ähnlichen Gesetzesvorhabens ab: PIPA (Protect IP Act) soll ebenfalls Maßnahmen gegen Web-Anbieter im Ausland ermöglichen, die das geistige Eigentum (intellectual property, IP) verletzen. Eingebracht wurde PIPA vom demokratischen Senator Patrick Leahy in Vermont.
Besonders umstritten ist eine Bestimmung bei SOPA, die von Internet-Providern verlangt, nach einer gerichtlichen Anordnung den Zugang zu ausländischen Webseiten zu sperren, die Schwarzkopien anbieten. Dies wird von den Gegnern als Zensur und unzulässiger Eingriff in die technische Infrastruktur des Netzes abgelehnt. Unter dem Eindruck der heftigen Kritik signalisierte Smith zuletzt Kompromissbereitschaft in dieser Frage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!