: Wikinger vor Bremen
Ein verbranntes Stück Holz unter dem Marktplatz beweist: Im Jahre 995 wollten die Wikinger den Domschatz plündern, kamen bis zum Marktplatz
Bremen taz ■ Die Szene muss filmreif gewesen sein: Im Jahre 994 schipperten die Wikinger mit ihren Drachenbooten die Weser flussaufwärts. Ihr mutmaßliches Ziel: der Domschatz in Bremen. Über die Balge gelagten sie bis kurz vor das kleine Örtchen Bremen. Die Bremer waren in den Schutz der Domburg geflüchtet, die durch Graben und Wall gesichert war. Sie konnten den Schatz offenbar verteidigen und die Wikinger mussten unverrichteter Dinge abziehen. Sie kamen nie wieder.
So oder ähnlich muss es gewesen sein. Bisher wusste die Geschichtsschreibung nichts von dieser Episode, doch jetzt sind sich die Bremer Archäologen sicher. Ein Stück verbranntes Holz liefert den Beweis für den letzten großen Wikingerangriff auf Bremen. Dies konnte jetzt durch die Analyse des bei Grabungen auf dem Bremer Marktplatz gefundenen Holzteils gestützt werden.
Vor zwei Jahren stießen die Archäologen auf die Reste der alten Verteidigungsanlage unter dem Marktplatz. In dem Graben, der über die Jahrhunderte zugeschüttet worden war, fanden sie einige Stücke Holz. Datiert wurde dieses jetzt auf die Jahre 975 bis 1020.
Was haben die Wikinger mit dem Holz zu tun? Für den Landesarchäologen Dieter Bischop liegt das auf der Hand: Die Wikinger wüteten im Jahr 994 in Stade – das belegen mehrere historische Quellen und kann als wissenschaftlich gesichert gelten. „Die ganze Stadt wurde geplündert, Häuser abgebrannt und Lösegeld gefordert.“ Einige Stader wurden in den Fluss geworfen – nachdem ihnen die Wikinger vorher Nase, Hände und Ohren abgeschnitten hatten. Die Gefahr für Bremen lag nahe, denn „Stade war nicht weit weg von Bremen, und wenn man schon mal in der Gegend war...“.
Die These eines Wikinger-Überfalls auf Bremen wird durch andere Indizien gestützt: „In dem Graben wurde auch eine Geschossspitze gefunden, welche aus eben jenem Kampf um Bremen stammen könnte“, so Dieter Bischop. Bei Lesum wurde aus der Weser zudem ein Wikingerschwert gefischt. Die Archäologen glauben, dass Bremen dort Wachposten stationiert hatte, um Wikinger und andere Feinde frühzeitig von der Stadt abhalten zu können.
Wie aber kommt das Holz in den Graben und warum war es verbrannt? Die Wikingergefahr schildert der Chronist Adam von Bremen: „Alle Städte Sachsens erfüllte Furcht vor Wikingern. Selbst Bremen begann man durch starken Wall zu sichern. Kirchenschatz und Kirchengut ließ man nach Propstei Bücken bringen.“
Der Landesarchäologe erklärt die Verteidigungsanlage: „Rund um den Dom war ein Graben angelegt, dahinter ein Wall. Darein rammte man eine Wand aus Eichenpfählen.“ Eben diese hölzerne Wand wurde von den Wikingern in Brand gesetzt und stürzte in den davor liegenden Graben. Doch Bremen konnten sie trotzdem nicht plündern, glaubt Bischop. „Quellen hätten darüber sicher berichtet.“
Schon 845 hatten die Wikinger Hamburg überfallen und dem Erdboden gleichgemacht. Erzbischof Ansgar flüchtete von dort nach Bremen und baute eine bessere Verteidigungsanlage.
Nach einer längeren Friedenszeit mehrten sich dann die Wikingerüberfälle in Norddeutschland Ende des 11. Jahrhunderts wieder. Doch die Bremer Verteidigungsanlagen waren so gut, dass die Wikinger ohne Domschatz wieder absegeln mussten. „Dass dieser sich ohnehin nicht mehr im Dom befand, hatten sie ja nicht wissen können“, so Bischop.
Erzbischof Unwan baute nach dem Überfall eine Schutzmauer aus Stein – um einen erneuten Wikingerüberfall abwehren zu können. Offenbar kam es dazu aber nicht mehr. Der Dom brannte zwar trotzdem ab, aber das war Brandstiftung und ein anderes Kapitel in der bremischen Geschichte. ANNA POSTELS