piwik no script img

Wiederaufbauplanung zerstörter StädteEine historische Chance für Düsseldorfs City

Zwei Wettbewerbe sollen den nach dem Krieg angerichteten Schaden wiedergutmachen.

Düsseldorfs Flaniermeile Kö Bild: dpa

"Wir haben nach dem Krieg die Chance vertan, klüger durchdachte, neue Städte zu bauen." Alexander Mitscherlich, der große Kritiker der unwirtlichen Stadt, dachte an die Verfehlungen der Nachkriegsplaner, denen ungehinderte Verkehrsflüsse wichtiger als menschengerechte Stadträume waren. Als Mitscherlich in den Sechzigerjahren die Planersünden anprangerte, hatte sich in den deutschen Baudezernaten das Konzept der "verkehrsgerechten Stadt" längst durchgesetzt - von dem im Übrigen schon die Nationalsozialisten träumten, die nach Kriegsende die "einmalige Gelegenheit" (Albert Speer) nutzen wollten, die Städte im großen Stil verkehrsgerecht zu gestalten.

Zum "Arbeitsstab Wiederaufbauplanung zerstörter Städte" unter Leitung von Albert Speer gehörte seinerzeit auch Friedrich Tamms, der von Hitler persönlich zum Ordinarius für Entwerfen von Hochbauten an der TH Berlin ernannt wurde. Nachdem die Wiederaufnahme der Professur im Jahr 1948 scheiterte, wurde Tamms zum mächtigen Baudezernenten Düsseldorfs ernannt, scharte fortan die einstigen Mitarbeiter von Speers Arbeitsstab um sich und machte die neue NRW-Landeshauptstadt mit Brücken, Verkehrsschneisen und Hochautobahn verkehrstauglich.

Die Ironie der Geschichte wollte es, dass ausgerechnet Albert Speer jun., sechzig Jahre nach Tamms Düsseldorfer Neuordnungsplan, der Rheinmetropole ein neues Leitbild verordnete. Es heißt: "Weg von der autogerechten, hin zur fußgängerfreundlichen Stadt". Speer war Juryvorsitzender eines städtebaulichen Wettbewerbs, mit dem sich Düsseldorf national und international in Sachen ökologischer Stadtumbau neu positionieren wollte.

Den Wandel machen insgesamt zwei Wettbewerbsentscheidungen zum Kö-Bogen deutlich, die das Erscheinungsbild der Innenstadt in den nächsten fünf Jahren maßgeblich umkrempeln werden. Furore machte im Februar Daniel Libeskind, der zwei stark differenzierte Baukörper zwischen Königsallee und Berliner Allee entwarf: einerseits klar profilierter Blockrand an Königsallee und Hofgartenseite, andererseits wellenförmiger Fassadenverlauf an Schadowstraße und Berliner Allee. Für die Einfassung des Schadowplatzes hat sich Libeskind eine schlangenförmige Bandstruktur ausgedacht. Dafür erhielt er vom Planungsausschuss viele Vorschusslorbeeren: Nach einem Frank O. Gehry, Norman Foster, David Chipperfield und Richard Meier sollte nun ein "echter Libeskind" her. Doch was ist wirklich echt an diesem Entwurf? Allein die schrägen Fassadeneinschnitte an der Hofgartenseite erinnern noch blass an seine wilde Aufbruchszeit in den späten Achtzigern, an die städtebaulichen Entwürfe für Berlin und natürlich ans Jüdische Museum. Aus dem dekonstruktivistischen Formenzertrümmerer ist ein Architekt geworden, der es allen recht machen will - zuallererst selbstverständlich den Investoren und Politikern.

Man könnte nun meinen, wenigstens die Gewinner des gerade abgeschlossenen städtebaulichen Wettbewerbs hätten mehr Spielraum. Doch die Investoren werden auch hier ein nicht unerhebliches Wörtchen mitreden wollen. Bislang ging es lediglich um den besten Masterplan, und den haben, nach klarer Entscheidung der Jury unter Vorsitz von Albert Speer, Pablo Molestina und Thomas Fenner entworfen und dabei, ganz nebenbei, die komplette Starriege von MVRDV, David Adjaye, Jo Coenen und Ortner + Ortner ausgehebelt. Ihr Vorschlag setzt überzeugend auf die Vorzüge der klassischen europäischen Stadt: Raumgreifende Blöcke, Grünflächen und offene Stadträume bilden das Grundvokabular ihres eleganten Entwurfs.

Bei allen Unterschieden in der urbanen Strategie profitieren Libeskind und Molestina/Fenner von einer kommunalpolitischen Entscheidung, die beiden Wettbewerben zugrunde liegt. Das Düsseldorfer Stadtparlament beschloss nämlich, durch die City einen Verkehrstunnel zu treiben, der U-Bahn, Straßenbahn und Pkws aufnehmen soll. Architekten und Planer sprechen von einer einzigartigen städtebaulichen Chance, denn durch den U-Bahn-Bau böte sich endlich die Möglichkeit, zahlreiche unwirtliche Plätze und Verkehrsschneisen loszuwerden und eine fußgängerfreundliche Planung in Angriff zu nehmen. Ließ in den Fünfzigerjahren der allmächtige Baudezernent Friedrich Tamms nach amerikanischem Vorbild die Schneise Berliner Allee durch den Stadtkörper legen und die Hochstraße "Tausendfüßler" emporrichten, stehen heute die Vorzeichen anders: Der jetzt prämierte Entwurf zielt darauf ab, das Herzstück der Düsseldorfer City im Umkreis des Kö-Bogens zu einer attraktiven Zone mit Grünflächen, Flaniermeilen und öffentlichen Plätzen umzugestalten. Die Vision von Pablo Molestina und Thomas Fenner ist der Erlebnisraum Stadt - nicht für ungehinderte Verkehrsflüsse, sondern für flanierende Bürger.

Der im ecuadorianischen Quito geborene Molestina, der seit 18 Jahren ein Kölner Architekturbüro leitet, kann es kaum abwarten, bis das Betonungetüm "Tausendfüßler" endlich geschleift ist. Denn erst dann wird es möglich sein, den nördlichen Teil der Berliner Allee zu verbreitern und mit Platanen einzufassen, mithin aus einer fußgängerfeindlichen Zone einen offenen und attraktiv gestalteten Stadtraum zu schaffen.

Landschaftsarchitekt Thomas Fenner vom Düsseldorfer Büro FSWLA resümiert die gemeinsame Strategie: "Wir bauen ein Stück Stadt im Herzen der Stadt Düsseldorf neu. Wir versuchen, die Räume auf einen menschlichen Maßstab zu bringen. Mit unserem Entwurf haben wir sehr schöne Platzfolgen gemacht, eine Abfolge von engen Räumen und weiten Räumen, von kleinen und großen Plätzen. Wir werden Stadt und Landschaft, Freiräumen und Räumen, Architektur und Grün besser verweben."

Stadtumbau heißt auch, wie Fenner betont, sich des Erbes von Gartenarchitekt Maximilian Friedrich Weyhe zu besinnen, der Anfang des 19. Jahrhunderts den Hofgarten als durchgehende städtische Grünzone schuf und mit der grünen Achse der Königsallee verband. Nun soll der von Tamms "Tausendfüßler" durchschnittene Hofgarten wieder als einheitlicher grüner Stadtraum erlebbar werden. Zu Fenners und Molestinas Konzept einer lebendigen Urbanität gehört auch ein öffentlicher, multifunktioneller Pavillon. Er wird an der östlichen Seite des Hofgartens errichtet, wo noch heute der Verkehr entlangbraust. In wenigen Jahren dürfte hier auch die kleine Düssel freigelegt sein, die zumeist als unterirdischer Kanal dahinfließt. Dann mag sich der ein oder andere vielleicht an Goethe erinnern, der den Philosophen Friedrch Heinrich Jacobi auf seinem Landgut Pempelfort bei Düsseldorf besuchte und die "Nachbarschaft von weitläufigen wohlgehaltenen Gärten" lobte. Derartige romantische Gefühle hat man den Düsseldorfern jedenfalls in den letzten fünfzig Jahren konsequent ausgetrieben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!