Wieder mehr Ausbildungsplätze: Das Glück der Demografie
Die Lage auf dem Lehrstellenmarkt hat sich entspannt, stellen die Arbeitgeber und die Bundesagentur fest. Der DGB hingegen zieht eine durchwachsene Bilanz.
BERLIN taz | Die Lage am Ausbildungsmarkt hat sich laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) sowie der am Ausbildungspakt beteiligten Ministerien und Verbände weiter verbessert.
Die Zahl der Ausbildungsplätze erhöhte sich im Berufsberatungsjahr 2010/11 im Vergleich zum Vorjahr um 7,5 Prozent auf 519.600. Damit stiegen die Ausbildungschancen der Jugendlichen, erklärten die Partner des Ausbildungspaktes, der 2004 abgeschlossen und im vergangenen Jahr bis 2014 verlängert wurde.
Am Ausbildungspakt sind unter anderem das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände beteiligt. In ihrer Erklärung heißt es: "Das steigende Angebot an Ausbildungsplätzen ist Ausdruck des Bestrebens der Betriebe, unterstützt durch die gute konjunkturelle Lage, ihren Fachkräftenachwuchs durch Ausbildung zu sichern."
Neben dem Anstieg der Ausbildungsplätze verzeichnet die BA einen Rückgang der gemeldeten Bewerber auf Ausbildungsplätze. Deren Zahl ging innerhalb des letzten Jahres trotz doppelter Abiturjahrgänge in den einwohnerstarken Bundesländern Bayern und Niedersachen und trotz der Aussetzung des Zivil- und Wehrdienstes erneut um 2,5 Prozent auf 538.200 zurück.
Die Zahl der Schulabgänger ist aus demografischen Gründen rückläufig. Außerdem gibt es mehr Studienanfänger, die sich nicht auf einen Ausbildungsplatz bewerben. Mehr Angebote, weniger Nachfrage - wird also alles gut? Zumindest nimmt die Situation auf dem Ausbildungsmarkt laut den Pakt-Partnern eine "positive Entwicklung". Denn diese verzeichnen, dass es bis Ende September mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber gab, nämlich knapp 20.000.
Kritik an der Zählweise
Diese Zählweise wird allerdings von der stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ingrid Sehrbrock heftig kritisiert: "Die glänzenden Chancen für junge Menschen, wie sie der Ausbildungspakt gern präsentiert, sind noch immer eine Fata Morgana. Der Pakt zählt 65.200 Jugendliche als versorgt, die sich mit Bewerbungstrainings, Einstiegsqualifizierungen und Praktika über Wasser halten, aber trotzdem ihren Wunsch nach einem Ausbildungsplatz weiter aufrecht erhalten." Laut der Rechnung des DGB gibt es nicht 20.000 Stellen zu viel, sondern knapp 50.000 zu wenig.
Diese Einschätzung teilt auch Andreas Pieper, Pressesprecher des Bundesinstituts für Berufsbildung. Er meint, dass man die Zahl der Jugendlichen, die sich immer noch zwischen Schulabschluss und Start der Ausbildung befinden, eigentlich mitzählen müsse. "Denn ihr Wunsch nach einem Ausbildungsplatz ist ja noch nicht erfüllt worden."
Allerdings hat sich laut seiner Einschätzung "die Situation aus dem Blickwinkel der Jugendlichen schon erheblich verbessert". Durch die gestiegene Zahl an Ausbildungsplätzen hätten die jungen Arbeitssuchenden in Zukunft mehr Wahlmöglichkeiten: "Dann müssen sich die Betriebe für die Jugendlichen attraktiv machen und die Qualität ihrer Ausbildungen verbessern."
Auch Sehrbrock weist auf "oft miese Ausbildungsbedingungen" hin, die es zu verbessern gelte. Viele Betriebe bieten "eine niedrige Vergütung. Sie halten viele Überstunden und unregelmäßige Arbeitszeiten für normal." Gerade in Hotels und Gaststätten gibt es viele Abbrecher.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören