Wieder Störfall im Atomkraftwerk: Vattenfall kriegt Krümmel nicht in Griff
Der Atomreaktor an der Elbe muss wegen einer Panne im Trafo schon wieder vom Netz. In Hamburg fielen Ampeln und Wasserpumpen aus. Vattenfall gerät unter Druck.
HAMBURG taz/ap/dpa | Dass ihr Wunsch so schnell in Erfüllung gehen würde, hatten sie nicht erwartet: Noch am Freitag hatten etwa 200 Menschen vor dem Tor des Atomkraftwerks Krümmel dessen sofortige Abschaltung gefordert. Schon am Samstagmittag ging der Reaktor tatsächlich vom Netz.
Grund waren allerdings nicht die Proteste, sondern massive technische Probleme: Nach dem Ausfall eines Maschinengenerators wurde gegen 12 Uhr eine Reaktorschnellabschaltung ausgelöst. Die Ursache war ein Kurzschluss in dem Transformator, der bei dem Brand vor zwei Jahren unbeschädigt geblieben war.
In der Folge trat Öl aus dem beschädigten Transformator aus, das sich aber – anders als vor zwei Jahren – nicht entzündete. Was diesen Kurzschluss ausgelöst hat, erklärte der Betreiber des AKW Krümmel, Vattenfall, am Sonntag nicht.
Beim Herunterfahren des Reaktors, räumte der Energiekonzern ein, gab es weitere technische Pannen: Die Fixierung eines Steuerstabs erwies sich als defekt, die Kühlung des Reaktorwasser-Reinigungssystems fiel für vier Stunden aus, und ein defektes Brennelement gab erhöhte Radioaktivität ins Reaktorwasser ab.
Störungen im Hamburger Stromnetz
Die unmittelbaren Auswirkungen der Schnellabschaltung waren vor allem in Hamburg zu spüren: Dort fielen aufgrund eines Spannungsabfalls im Netz 1.500 der 1.800 Ampeln aus, die Stromversorgung von Unternehmen brach zusammen und nach dem Ausfall von Pumpen platzten 11 Wasserrohre, als die Pumpen endlich wieder anliefen.
Die in Schleswig-Holstein für die Atomaufsicht zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) kritisierte, dass Vattenfall die Behörden nicht unmittelbar informiert habe. "Ein Fehler in der Erstkommunikation", räumte der Chef von Vattenfall Europe Nuklear Energy, Michael Züfle, am Sonntag ein. "Ich sagte ganz deutlich, dass dies völlig inakzeptabel ist."
Das sehen auch die Atomkraftgegner so: "Die Öffentlichkeit wird offensichtlich belogen und betrogen", sagte Jan Becker vom Netzwerk Contratom. "Vattenfall behauptete, ein komplett überholtes AKW ans Netz zu bringen, nun dieser schwere Störfall", sagte Becker.
Trauernicht erklärte, als Konsequenz aus dem Störfall habe sie "eine erneute Zuverlässigkeitsprüfung des Betreibers veranlasst". Bereits nach dem Brand vor zwei Jahren war Vattenfall für seine Informationspolitik in die Kritik geraten.
Doch allein wird Trauernicht eine mögliche Wiederinbetriebnahme nicht genehmigen können. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) kündigte an, dass er die Entscheidung darüber an sich ziehe: "Wir sind uns einig, dass ein Wiederanfahren des Reaktors Krümmel nur nach vorheriger Zustimmung der Bundesaufsicht erfolgen wird", sagte Gabriel der taz. Als Kritik an Trauernicht wollte er dies nicht verstanden wissen. Zudem kündigte er an, wegen des Störfalls in Krümmel die elektrischen Systeme in allen Atomreaktoren überprüfen zu lassen.
Forderungen nach endgültiger Abschaltung des AKWs
Die Grünen-Bundesvorsitzende Claudia Roth erklärte, Vattenfall dürfe mit Krümmel nicht länger ein gefährliches Vabanquespiel betreiben: "Das AKW muss jetzt endgültig abgeschaltet werden." Auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) forderte das endgültige Aus für Krümmel. "Ein maroder Atomreaktor und ein unzuverlässiger Betreiber sind zwei Risiken zuviel für Schleswig-Holstein", sagte der umweltpolitische Sprecher der dänischen Minderheitsvertretung im Kieler Landtag, Lars Harms.
Krümmel war nach einem Brand im Sommer 2007 für zwei Jahre stillgelegt worden. Bei der Reparatur und Wartungsarbeiten tauchten immer neue Probleme auf. Erst vor knapp zwei Wochen wurde das AKW wieder angefahren.
Nur eine Woche später – am vergangenen Mittwoch – musste Krümmel wegen eines Transformatorenproblems wieder vom Netz genommen werden. Danach lief es nur mit halber Leistung. Am Freitagabend wurde der Transformator wieder in Betrieb genommen, nur wenige Stunden später gab es den nächsten Störfall.
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