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Bewegung

Wie mit Rechten reden? Wortgewandt statt sprachlos

Kann praktische Ideologiekritik, kann das Diskutieren mit Rechten funktionieren? Manchmal schon, meint die Gruppe „Zweifel & Diskurs“. Ein Gespräch.

Nicht alle Rechten sind gleich stur, mit manchen kann man sogar reden Bild: dpa

Dennis Pestel vom Projekt „Echt Jetzt?!“ der Gruppe Zweifel & Diskurs organisiert Argumentationstrainings gegen Rechts in verschiedenen Orten in Sachsen-Anhalt und in Berlin. Er erklärt, wann es sich lohnen kann, auf rechte Aussagen einzugehen.

taz: Sollen wir mit Rechten reden?

Dennis Pestel: Im Alltag reden Rechte sowieso die ganze Zeit indirekt mit uns: Unter Kollegen, auf dem Schulhof oder auf Familienfeiern bekommen wir rechte Argumente zu hören. Bekannte, die kein geschlossen rechtes Weltbild vertreten, empfinden ein Unbehagen mit der Gesellschaft und äußern Gedanken, wie sie von AfD und Co. propagiert werden. So sind wir immer wieder, vermittelt über andere, mit den Aussagen der Rechten konfrontiert und müssen uns dazu verhalten.

Wir kommen also gar nicht umhin, uns mit Rechten oder ihren Sympathisanten auseinanderzusetzen?

Hier unterscheide ich zwischen Rechten oder Rechtsextremen mit einem geschlossenen Weltbild auf der einen Seite, denen oftmals nicht an gemeinsamem Erkenntnisgewinn gelegen ist, und auf der anderen Seite offenen, ansprechbaren Leuten, die rechtes Gedankengut aufgeschnappt haben und das gerne diskutieren würden.

Wie sollen wir denn diese Unterscheidung treffen?

Mich interessiert dabei, ob mein Gegenüber mir zuhören möchte und auch meine Gedanken ernst nimmt, oder nur noch Parolen abspult. Nach kurzer Zeit merkt man: geht es der Person noch um die Sache an sich oder sucht sie nur Bestätigung für ihre chauvinistische Haltung? Im ersteren Fall würde ich eher von Vorurteilen sprechen: Die Person kann mittels eigener Erfahrung, zusätzlichen Informationen oder neuer Gedankengänge die pauschalen Urteile revidieren.

Warum sollte das denn nicht bei allen funktionieren, auch bei überzeugten Rechten?

Diese Frage führt uns zum Ressentiment, was im Gegensatz zum Vorurteil die realen Erfahrungen nicht mehr zulässt. Dabei wird all das, was nicht ins eigene Weltbild passt, geleugnet. Die eigenen verdrängten Ängste oder Sehnsüchte werden dabei als Ressentiment auf andere Menschen projiziert. So kommt es etwa, dass Menschen ihre eigene Sorge um sozialen Abstieg in Hass auf Obdachlose und „Schmarotzer“ kanalisieren.

An anderer Stelle sprechen Sie von Ideologiekritik. Was meinen Sie damit?

Die kapitalistische Gesellschaft ist katastrophal eingerichtet und lässt jede*n die eigene Ohnmacht spüren. Um aber in der Gesellschaft mitmachen zu dürfen, müssen wir all diese falschen Selbstverständlichkeiten täglich reproduzieren. Das Unbehagen mit all den Zumutungen wird beispielsweise „den Bankern“ oder „den Flüchtlingen“ angelastet. Diese Personifizierung von gesellschaftlichen Verhältnissen ist aufzudecken.

Das klingt zunächst recht theoretisch. Wie kann diese abstrakte Kritik greifbar werden?

Da gibt es zum Beispiel einfache Nachfragen: „Glaubst du, dass wenn den Flüchtlingen die Gelder gekürzt werden, dann automatisch mehr Geld auf die Konten der deutschen Rentner kommt?“ An diesen Beispielen zeigt sich, weshalb personalisierte Kritik am Kapitalismus verkürzt und nicht nur unzureichend, sondern gefährlich ist.

In Ihren Workshops geht es genau um solche Gesprächssituationen. Wie gehen Sie dabei vor?

Vermutlich kennt jede*r Momente von Sprachlosigkeit, wenn in der Mittagspause der Kollege etwas gegen Flüchtlinge sagt. In unseren Workshops setzen wir bei diesem Gefühl der Ohnmacht an, das wir haben, wenn wir auf rechte Aussagen nicht antworten können. Weil es schwer ist, die eigene Sprachlosigkeit vor anderen zu thematisieren, gibt es die „Ideolotterie“. Nach kurzem theoretischen Input notieren Teilnehmer*innen unserer Workshops auf Zetteln ihre Erlebnisse mit solchen Statements und werfen diese in unsere „Lostrommel“.

Was passiert dann mit diesen Zetteln?

Immer wieder faszinierend ist, wie eifrig alle nach kurzem Überlegen ihre Erfahrungen niederschreiben. Allein die Ermunterung, sich mit der persönlich erfahren Sprachlosigkeit zu befassen, erscheint mir hilfreich. In der gemeinsamen Diskussion ziehen wir Zettel für Zettel. Ein*e Referent*in versucht spontane Antworten zu finden. Dabei wird deutlich, dass auch langjährige Erfahrung mit politischer Theorie und Kommunikation nur selten eine spontane Antwort ermöglicht. Wir wollen zeigen, dass es ganz normal ist, zu zögern, zu hadern und sich Zeit zum Nachdenken zu nehmen.

Wie passiert das in den Workshops?

Auf einem Zettel stand „Ich kann mir meine Miete kaum noch leisten, aber Geld und Mitgefühl ist nur noch für Flüchtlinge da“. Hier würde ich auf den berechtigten Ärger über hohe Mieten eingehen. Wer sowas sagt, ist eventuell ansprechbar für aktuell laufende Kampagnen gegen die Wohnungssituation. Die reale Erfahrung, mit Leuten verschiedener Herkunft über gemeinsame Probleme zu sprechen und sich zusammenzutun, ist vermutlich das beste Mittel gegen Rassismus.

An wen richten sich Ihre Workshops?

Vor allem Jugendliche und junge Erwachsene nehmen teil. Viele sagen, dass sie mit den Aussagen intuitiv ein Problem haben, weil sie die diskriminierende Bedeutung erkennen. Sie suchen noch einen eigenen Umgang damit. Außerdem kommen gern Multiplikator*innen, die mit Jugendlichen arbeiten und im Job immer wieder in solchen Situationen kommen. Wir wollen, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit rechtem Gedankengut nicht nur an der Universität passiert.

Die Fragen stellte Laurin Lorenz.