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„Wie die Schlange vorm Kaninchen“

■ Die Volleyball-Frauen (West) patzen böse bei ihrem letzten Auftritt bei einer WM, indes die guten Handball-Männer (Ost) von den Vereinigern über den Tisch gezogen werden

Shanghai/Frankfurt (dpa) - Die Volleyball-Frauen aus der Bundesrepublik haben ihren letzten Soloauftritt bei einem großen Turnier gründlich verpatzt. Nach der unerwarteten wie blamablen 1:3-Niederlage gegen Taiwan gibt die Auswahl von Bundestrainer Matthias Eichinger ihre Abschiedsvorstellung bei der Weltmeisterschaft in China in der gewohnten Statistenrolle. Denn mit dem 10:15, 15:11, 8:15, 5:15 gegen den WM-Neuling schoß das Team am Freitag in Shanghai im dritten Vorrunden-Treffen nach den erwarteten Schlappen gegen Japan (1:3) und Kuba (0:3) recht kläglich am Ziel Zwischenrunde vorbei.

Nun geht es ab Montag lediglich noch um die letzten Plätze 13 bis 16 mit Kanada, Ägypten und Argentinien. Das Scheitern verstärkte in dieser Sportart die Sehnsüchte nach dem Zusammenschluß mit der DDR, durch den aus Sicht des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) alles nur besser werden kann.

„Wir waren wie das Kaninchen vor der Schlange“, bemängelte der zukünftige gesamtdeutsche Trainer Eichinger die Vorstellung vor 2.500 Zuschauern. Gegen die im Schnitt zehn Zentimeter kleineren und 20 Jahre jungen Taiwanesinnen leistete sich die deutschen Spielerinnen vor allem im Block schlimme Patzer. „Sie haben die ganze taktische Marschroute vergessen“, schimpfte Eichinger, übte aber auch Selbstkritik: „Es ist mir nicht gelungen, dieselbe Stimmung in der Mannschaft herzustellen wie im Mai bei der B-WM.“

Der Mannschaft fehlte die Geschlossenheit, die sie noch vor Monaten ausgezeichnet hatte. „Hier ist alles auseinandergelaufen“, sagte der Coach. Auch sein neues Trainer-Team, in das er den neuen Feuerbacher Klub-Trainer Jürgen Wagner und den von den Herren des Hamburger SV zu den Damen des USC Münster gewechselten Olaf Kortmann berief, bildete keine Einheit. Durch Unstimmigkeiten und Kompetenzgerangel gab es Reibungsverluste, wie Eichinger offen eingestand.

Zudem sei die Vorbereitung nicht optimal gelaufen: „Wir haben im Sommer viel Zeit verloren.“ Zu selten hatte Eichinger den gesamten Kader zusammen. „Das war eine Altlast aus dem Vorjahr, weil viele Spielerinnen wegen der Europameisterschaft in der Bundesrepuklik Studien- und Prüfungsverpflichtungen auf dieses Jahr verschoben hatten. Dadurch fehlt einfach auch die spielerische Harmonie.“

Auch beim letzten Auftritt von zwei deutschen Mannschaften bei einer Weltmeisterschaft hat die BRD gegenüber der Deutschen Demokratischen Republik damit wieder das Nachsehen. Obwohl in den vergangenen Monaten von Auflösungstendenzen erfaßt und nur mit einer Verlegenheitsmannschaft angetreten, reichte das Potential des letzten WM-Vierten und Vize-Europameisters durch den Sieg gegen Argentinien zum Erreichen der Zwischenrunde. Nur: Wie kann die Qualität des DDR-Volleyballs in Großdeutschland erhalten bleiben?

Westler die besseren Erbschleicher

Die Kraftprobe um längst fällige Personalplanungen in einem zukünftigen gesamtdeutschen Handball-Verband aus DHB und DHV läßt sich nicht mehr vermeiden. Am kommenden Montag treffen sich unter anderem DDR-Auswahltrainer Klaus Langhoff und Bundestrainer Horst Bredemeier in Frankfurt, um die Termin und Wettkampfplanung 1991 mit dem DHB-Präsidium abzustimmen.

Seit Monaten taktieren die Präsidien „aus hochsensiblen sportpolitischen Gründen“, können aber die Schwungkraft der Eigendynamik nicht bremsen, die sich aus der sportlichen Vereinigung ergibt. Die Ära der DDR-Mannschaft geht in dem für den 1.Januar 1991 bestimmten Zusammenschluß beider Verbände zu Ende, und mit ihr stellt sich die Frage nach dem Verwalter des Erbes, das der Rostocker Coach Langhoff der zukünftigen Handball-Nationalmannschaft der Männer mit der Doppelqualifikation für Olympia 1992 und A-WM 1993 quasi bereits in den Schoß gelegt hat.

Offiziell hat sich noch keiner in die Karten sehen lassen, wer den „Erbhof“ in diesem von Traditionen und Erfolgen behafteten Verband mit zukünftig rund einer Million Mitgliedern übernehmen soll. Doch im DHB-Präsidium gibt es eine klare Mehrheit für Bredemeier, dessen Vertrag noch bis zum 1.Juli 1992 läuft. Der DHV der DDR ist aber laut der Ostberliner Nachrichtenagentur 'adn‘ für Langhoff („Lieber gehe ich stempeln, als daß ich Co-Trainer unter Bredemeier werde“), dessen Kontrakt am 31.Dezember 1990 endet. Es gibt aber auch klare Forderungen des DSB und im Bundesausschuß Leistungssport (BAL), daß „nur vakante Stellen mit DDR -Trainern besetzt werden sollen“.

Also greift sich der BRD-Verband die guten Startplätze des DDR-Handballs, und die sie errungen haben, können sehen, wo sie bleiben.

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