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Wie Europa auf Finanzkrise reagiertNur Italien plant keine Maßnahmen

360 Milliarden Euro aus Frankreich, 100 Milliarden aus Österreich: Immer mehr Länder stellen ihren vom Untergang bedrohten Banken Hilfe in Aussicht.

Gemeinsam gegen die Finanzkrise: Die politische Führung der EU am Sonntag vorm Elysee Palast in Paris. Bild: dpa

BERLIN taz In ganz Europa wurden gestern Finanzpakete zur Rettung der Banken geschnürt. So greift die britische Regierung drei angeschlagenen Großbanken mit bis zu 46 Milliarden Euro unter die Arme und könnte damit bei diesem zum jeweiligen Mehrheitsaktionär werden. Als Bedingung für den staatlichen Rettungsring müssen Royal Bank of Scotland, HBOS und LLoyds unter anderem die Managergehälter kappen und freizügiger Kredite an kleine Betriebe vergeben. Zudem dürfen sie keine Dividende mehr zahlen. Die Anleger reagierten entsetzt auf die Verwässerung ihrer Anteile: Die Aktienkurse der Institute stürzten bis zu 30 Prozent ab.

Am Sonntagabend hatten sich die Regierungen der Eurozone und Großbritanniens auf einen "Instrumentenkasten" zur Eindämmung der Finanzkrise geeinigt. Dazu zählen Liquiditätshilfen ebenso wie Kapitalspritzen und neue Bilanzierungsregeln für Banken. Auch eine Teilverstaatlichung von Banken wurde nicht ausgeschlossen. Den Maßnahmen will sich auch das Nicht-Euro-Land Schweden anschließen.

In Frankreich soll das Rettungspaket 360 Milliarden Euro umfassen und wie in Deutschland bis Ende 2009 gelten. Mit 320 Milliarden Euro will Paris Kredite zwischen den Banken absichern, 40 Milliarden Euro werden bereitgestellt, um Banken in Schwierigkeiten mit frischem Kapital zu versorgen. Dabei könne der Staat zwischenzeitlich auch Anteile an den Instituten übernehmen. Präsident Sarkozy bekräftigte, er wolle gescheiterte Manager "bestrafen" und auf eine grundlegende Veränderung des internationalen Finanzsystems hinarbeiten.

Spanien will in diesem Jahr staatliche Garantien für neue Bankschulden bis maximal 100 Milliarden Euro übernehmen. "Wenn das Finanzsystem reagiert, wie wir das erwarten, wird die Maßnahme den Steuerzahler nichts kosten", sagte Premier Zapatero. Und auch Österreich schnürt an einem Paket: Es soll 100 Milliarden Euro groß sein.

Keine Maßnahmen plant dagegen Italien. Weitere Refinanzierungsmöglichkeiten für die Banken des Landes seien nicht notwendig. "Unsere Position ist optimal und viel besser als in anderen Ländern", sagte Ministerpräsident Berlusconi.

Angesichts der Finanzkrise schreibt die EU-Kommission das Ziel ausgeglichener Haushalte bis 2010 vorerst ab. "Wir wissen alle, unter welchen Umständen dieser Beschluss gefasst wurde", sagte eine Sprecherin. Als die Länder der Euro-Zone im April 2007 verkündeten, ihre Defizite binnen drei Jahren auf null senken zu wollen, habe es noch wirtschaftliches Wachstum gegeben.

Nach dem fast bankrotten Island kommt nur auch Ungarn in Bedrängnis. Ende vergangener Woche war es zu spekulativen Angriffen auf Staatsanleihen und die Landeswährung Forint gekommen. Diese hatte gegenüber dem Euro um bis zu 6 Prozent an Wert verloren. Der IWF stehe "in intensiven Verhandlungen mit den ungarischen Behörden und der EU, um weitere Antworten auf die Herausforderungen zu erörtern", hieß es in einer Stellungnahme. Ungarns Finanzminister Veres schloss allerdings aus, dass Ungarn IWF-Kredite aufnehmen würde. Zugleich zeigte sich IWF-Chef Strauss-Kahn optimistisch. Die Finanzkrise könnte ihren Gipfel bereits hinter sich haben, sagte er zum Abschluss der IWF-Tagung in Washington. Der IWF werde Lehren aus der Krise ziehen und Vorschläge für eine Reform des internationalen Finanzsystems vorlegen.

Nach Ansicht des arbeitgebernahen Forschungsinstituts IW könnte die deutsche Wirtschaft 2009 mit einem blauen Auge davonkommen. "Wenn sich die Lage jetzt beruhigt, haben wir die Chance, dass es auf eine Stagnation hinausläuft."

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8 Kommentare

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  • DR
    D. Riese

    Das ist doch ein riesen Mist - Wozu haben wir denn die letzten Jahre gespart?

     

    Was für eine Demütigung aller Arbeitnehmer die in den letzten Jahren tiefe Einschnitte machen mussten und für die Menschen in unserem Land für die es weniger anstatt mehr Geld gab - um dafür das System in Deutschland finanziell zu entlasten.

     

    ...Wenn jetzt Geld aus uns gequetscht werden muss, um noch schlimmeres zu vermeiden - Wo sind dann die großen Veränderungen im Finanzsystem, damit so ein Einbruch nicht nochmal passiert??

     

    Es kann doch nicht legitim sein, die Fehler der Finanzwelt durch einen Griff in die Tasche der öffentlichen Hand zu negieren bzw. zu reparieren, ohne dass sich Grundlegendes verändert. Das ist blanker Hohn!!

  • DD
    Dieter Drabiniok

    Nach den politischen Persilscheinen; systemwichtige Banken dürfen nicht Pleite gehen, Gewährung von Milliarden Bürgschaften und Zuschüssen sowie Ausfallgarantien für Risikopapiere bei den Banken, stellt sich die Frage: Wie lange wird das Kursfeuerwerk an den Börsen noch anhalten? Banken haben ab nun eine staatlich garantierte Bestandsgarantie: Zocken ohne Risiko! Der Traum eines jeden Casinobesuchers! Herzlichen Glückwunsch zu diesem Rettungsplan!

    Nur ein Beispiel: Die HRE Aktie steigt um rund 35 % von Freitag auf heute Montag ~ 12.00 Uhr. Auf Tagesgeld gibts ~ 4%. Hallo, hört da jemand die Glocken bzw. die Kassen klingeln? Spätestens Ende der Woche rauscht es wieder runter: Gewinnmitnahmen heißt das Stichwort!

  • DB
    Dietmar Brach

    Immer wieder wirft man linken Sozialpolitikern vor, deren Politik sei unbezahlbar. Ganz gleich ob es dabei um die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, eines ein- und erstklassigen Gesundheitssystems oder eines Bildungssystems mit optimaler Förderung aller Kinder, auch der aus sozial schwachen Familien geht. Auch eine Verbesserung der Situation der Rentner sei in keinem Falle machbar, da nicht finanzierbar.

     

    Schulden machen sei völlig ausgeschlossen, da wir nicht auf Kosten unserer Kinder leben dürften. Und einige behaupten regelmäßig, linke Politiker würden das Geld ausgeben, das andere erwirtschaften.

     

    Die Realität zeigt uns jetzt etwas ganz anderes:

     

    Neo-liberale Wirtschaftspolitik hat zu einer Situation geführt, deren Kosten für die Gesellschaft völlig unvorhersehbar sind. Das alleinige Vertrauen auf den Finanzmarkt, hat zu einer weltweiten Katastrophe geführt, deren wirkliches Ausmaß uns erst in den nächsten Jahren deutlich wird.

     

    Nun zögert die Regierung keinen Augenblick für die Schäden, welche durch die ungezügelte Gier einiger unfähiger Banker, die die Einlagen ihrer Kunden rücksichtslos verzockt haben, mit weiteren Schulden gerade zu stehen. Das bedeutet, unsere Kinder zahlen für die Fehler der neo-liberalen Politiker, die auf einen Finanzmarkt ohne Sicherungen gebaut haben und dabei die offensichtliche Geldgier der dort handelnden Protagonisten übersehen haben. Oder anders ausgedrückt, Neo-liberale Politiker riskieren Gelder für ihre Ideologien, die andere später zahlen müssen.

     

    Selbstverständlich ist es nun notwendig zu handeln um den Schaden für die Wirtschaft zu begrenzen. Insofern möchte ich die Versuche der Regierung einer Schadensbegrenzung nicht grundsätzlich kritisieren. Was ich allerdings kritisiere, ist die Tatsache, dass eine akute Kinderarmut, ein ausgrenzendes Bildungssystem, der rapide soziale Abstieg ganzer Schichten in den letzten Jahren nicht zu einem solchen Handeln führte.

    Dies alles war für die Berliner Politiker eine unabwendbare Folge der Globalisierung und man war der Auffassung, das Vorhandensein von Armenspeisungen wäre ein geeignetes Mittel der Kompensation.

     

    Der Zusammenbruch des Sozial und Rentensystems wurde sogar noch als notwendiger Umbau bezeichnet und mit entsprechenden Gesetzen vorangetrieben. Es traf ja auch niemand der Handelnden persönlich. Im Gegenteil: Man profitierte sogar von dieser Situation, wenn etwa die Anspruchsdauer des Elterngelds bei sozial Bedürftigen um die Hälfte gekürzt wurde, um es gleichzeitig bei Gutverdienenden massiv zu erhöhen. Die Krise des Sozialsystems wurde, genauso wie jetzt die Bankenkrise, durch rücksichtslose Gier und einem fehlenden politischen Rahmen, der diese begrenzen könnte ausgelöst. Der entscheidende Unterschied war nur der, dass es die anderen waren, die darunter litten. Statt diesen zu helfen, übte man Druck auf sie aus, steckte sie in Zwangsarbeit und machte sie für ihre Situation selbst verantwortlich.

     

    Bei der Bankenkrise ist das anders. Würde das Finanzsystem zusammenbrechen, wären alle Bürger betroffen, auch die Wohlhabenden und die in Berlin handelnden Politiker. Da argumentiert plötzlich keiner mehr, dies alles seien unabwendbare Folgen der Globalisierung und man könne national nicht dagegen handeln. Da ist es plötzlich über Nacht möglich, sich sogar Europaweit auf einen Plan zu einigen. Schließlich sind die Handelnden ja auch selbst betroffen. Da wird ganz schnell mal das Geld unserer Kinder und Enkel für Milliardenschwere Rettungsaktionen genommen um den eigenen Wohlstand und die Kapitalanlagen zu sichern.

    Allerdings sollten die Parteien die Wähler nicht unterschätzen. Lange lassen sich die Wähler so sicher nicht behandeln.

     

    Dietmar Brach, Wiesbaden

  • M
    Medienbeobachter

    Wie wäre es mit der Wiedereinführung der Börsenumsatzsteuer? Spekulanten werden in Deutschland vor Verlusten geschützt und unterstützt.

    Die Finanzindustrie lacht sich doch kaputt. Jetzt können sie das Desaster voraussichtlich auch noch zu ihrem Vorteil nutzen. Verluste trägt demnächst nur noch der Staat.

  • M
    michaelbolz

    Verstaatlichung gibt es keine - der Staat wird in eine Unternehmerrolle gedrängt. Dazu kommt, dass Wirtschaft und Staat verschmelzen werden.

    Wir müssen das alles zahlen.

    Ich freue mich schon auf die dem folgende Sparphase.

     

    Unverschämt und dreist, dass ein Herr Kauder - exemplarisch für derzeit vielste - ein Wort wie Vertrauen in den Mund zu nehmen wagt, das es wieder herzustellen gibt. Ein weiser Mann weiß, wann er spricht. Für alle die Kauders sollte gelten: "Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen."

  • O
    Olly

    Das ist doch wohl ein Witz!!! Wer bekommt denn das Geld? dsa sitzen doch im Hintergrund Aktionäre und freuen sich, das die Bürger Europas so blöd sind, ihnen den Lebensabend zu versüßen aus Steuermitteln. Kein Geld für gute gesundheitsvorsorge und alte Menshcen, kein Geld für Schulen und Kinder, aber wenn Banker Scheiße bauen, wird das gleich von der regierung belohnt. Was ist das für ein Scheißsystem? Und der deutsche Michel>? Blöde wie seit Jahren läßt er sich alles gefallen und glaubt auch noch an die Märcxhen. Wo ist der Widerstand? Wo sind die Hunderttausende die das nervt?

    Erinner euch mal an den Natodoppelbeschluß oder Wackersdorf...

  • D
    Domas

    Schade, Schade und nochmals Schade.

    Da wird Geld verpuvelt, was das Zeug hält. Diese Bankrotte Staat, dieses Staatswesens, was sich wie ein Parasit von seinen staatstragenden Bürgern finanziert, hat ein paar Köpfe, die ihre neoliberale Politik mit Keynes kurieren wollen, um dann so weiter zu machen, als wäre nichts passiert. Die Zeche bezahlt der Bürger. Ob CDU oder SPD und Grüne pp., sie haben sich alle schuldig gemacht, den Staat bankrott zu wirtschaften und sich dabei ins Fäustchen zu lachen.

  • BK
    Bernd Kriebel

    Banken, Pleiten und Risikogeschäfte,

    Manager, für die Gesetze nicht gelten.

    Warum rufen die Banker und Manager, wenn sie durch unverantwortliche Spekulationsgeschäfte in finanzielle Schieflagen kommen, nach dem Staat und betonen ihre unternehmerische Freiheit, wenn es um ihre eigenen Gehälter geht? Sind hoch bezahlte Vorstände und Manager bessere Menschen als der arme Rentner oder der Harz IV Empfänger, der seine Stromrechnung nicht bezahlen kann. Wenn der deutsche Rechtsstaat darin besteht, dass die Gesetze für Superreiche nicht gelten, dann sollte man Begriffe wie „sozial“ und „Recht“ aus dem Gesetzestext streichen. Es weiß doch jeder, dass der Unterschied zwischen einem Bankmanager und einem Bankräuber nur darin besteht, dass der eine ins Gefängnis geht, wenn er erwischt wird, und der andere in den wohlverdienten Ruhestand.