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■ Who wants to be a green MP? - Chumbawamba sind eine politische BandZWISCHEN DEN RILLEN

Die Sache mit dem Fußball war ja diese: Die Dänen soffen wie blöde und hatten so den rechten Spaß am Kick, repräsentierten mithin den korrekten Fußball, während die deutschen Balltreter unter Anleitung ihres Bundesberti hochwissenschaftlich und in vollem Ernst auf Erfolgsmaximierung spielten und dabei auch meist gewannen. Doch dann siegten die Dänen. Wären Chumbawamba eines Tages in den Charts auf Platz eins plaziert, während Dieter Bohlen sich mit dem zweiten zufriedengeben müßte, wäre dies eine ungleich größere Sensation.

Chumbawamba haben mit den Dänen nicht nur das Warten auf die Überraschung gemein, sondern auch die Rückbesinnung auf die alten Werte, an eine Zeit, in der Fußball noch gespielt und nicht gearbeitet wurde, an eine Zeit, in der Pop- und Rockmusik nicht zur Ruhigstellung in Beats-per-minute-Zahlen diente, sondern zumindest Anstoß zur juvenilen Revolte sein wollte.

Chumbawamba haben auf ihrem Weg zur wichtigsten weißen politischen Band Großbritanniens allerlei musikalische Stile durchlaufen. Aber ob Folk, Punkrock oder Dancefloor, die zu transportierenden Inhalte blieben stets die gleichen, Chumbawamba waren und sind antiklerikal, antibusiness, anti-Tories, antisexistisch. So wenig entspannt, wie sie die Politik verhandeln, so locker behandeln sie die musikalischen Stile, und adaptieren und mischen sie dabei, so unterschiedlich sie auch sein mögen, perfekt.

Die größte Leistung Chumbawambas ist ohne Zweifel die Fähigkeit, zum Beispiel einen bewundernden Song über Ulrike Meinhof zu machen, der so radiokompatibel ist, daß er leichterdings auch dem Programmkoordinator bei RS 2 durch die Finger rutschen könnte. Die lieblichen Frauenstimmen, die Samples vor allem auf der hochgelobten LP „Slap!“, das unwiderstehliche Gespür für den tanzbaren Rhythmus und die hängenbleibende Melodie, daß man über die Wörter leicht hinweghört. „Don't wait for me to say I'm sorry — I won't/ Who wants to be a green MP? — I don't“, heißt es in „Ulrike“. Wie die Dänen: Chumbawamba können nicht nur kämpfen, sie können auch spielen.

Chumbawamba beleben auch auf ihrer neuen LP „Shhh“ die größte Fähigkeit englischer Rockmusiker, die mit dem Ende der Housemartins eine schwere Zäsur erleiden mußte. Die Fähigkeit, die Schere im Kopf weit genug aufzumachen, um das links-alternative Ghetto verlassen zu können, um mit politischen Inhalten Menschen zu erreichen, die sonst nur seichten Pop hören. Im Gegensatz zu den meisten kontinentalen oder amerikanischen Polit-Bands, die sich entweder dem todsterbenslangweiligen Bardentum oder dem todsterbensöden Bum-Bum-Punkrock widmen. Sie aber finden über den Kampf zum Spiel.

Auf „Shhh“ ist das ehemalige Besetzer-Kollektiv, das in Leeds in einem inzwischen legalisierten Haus wohnt, zwar wieder rockiger, stellt aber immer noch das Primat der Tanzbarkeit in den Vordergrund. Auch wenn hin und wieder, wie um über die Texte hinauszuweisen, Geräusch- und Sprachfetzen eingesampelt werden, dominieren doch weiterhin Groove und Melodie. Die Texte sind nur Anregung zum weiteren Interesse, und daher wesentlich sloganhafter als im HipHop, der wichtigen politischen Musik der Jetztzeit.

Während im Rap textlich genug Platz bleibt, um ein Problem ausführlich zu beleuchten (genau dafür ist das Sprechen über spröden Beats auch geschaffen), bleibt im Pop eigentlich nur der Refrain, denn im Normalfall sind dies die einzigen Zeilen, die verstanden werden und im Gedächtnis bleiben. Bei den Platten kann man deshalb in einem ausführlichen Booklet weiterlesen, das aber natürlich auch wieder nur Anregungen liefern kann. Im Gegensatz also zum HipHop, der sich als aufklärerisches und belehrendes Medium für die Minderheit versteht und funktioniert, stoßen Chumbawamba nur an, bieten Hilfe zur ideologischen Selbsthilfe. Kampf ist eben die Seele des Spiels.

Die Zeilen sind voll mit Symbolen, Slogans und Platitüden, was aber nicht bedeutet, daß Chumbawamba nicht für die eine oder andere schlichte Wahrheit gut sind: „Buzz buzz buzz... haircut sir! You put your whole self in, your whole self out — in out in out, shake it all about with a pop song, pop song, smothering love bombs, you're great I'm great everybody's great! Happiness is just a chant away.“ Fast sämtliche Samples (u.a. „Money“ von Abba, „Silly Love Songs“ von McCartney, „I Should Be So Lucky“ von Stock/Aitken/Waterman), die für „Shhh“ geplant waren, wurden nicht von den Rechteinhabern genehmigt. Daher wohl auch der LP-Titel. So sind Chumbawamba geradezu dazu gezwungen, sich selbst zu kopieren, die eigene Vergangenheit textlich zu rekapitulieren, um sich den Zeiten anzupassen. So wird aus „You can make a living sometimes wondering“ von „Slap!“ ein „You can make a living sometimes plundering“. Die Lieder wimmeln nur so von Anspielungen auf klassische Popsongs, die Zensur ist durchgehendes Thema.

Aber vor allem immer noch sind Chumbawamba die beste mögliche Tanzkapelle vor der Revolution, weil sie moderne Techniken und Stile adaptieren, ohne sich an das Business auszuverkaufen. Noch sind sie glücklicherweise zu gut (menschlich und musikalisch), um von den Grünen für Wahlparties engagiert zu werden. Aber Überraschungen gibt es ja immer wieder, wenn auch im Fußball wesentlich öfter.

Chumbawamba: „Shhh“, Agit Prop/EFA 26-17581

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