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Archiv-Artikel

Wessen Kassen sind leer?

betr.: Agenda 2010

Die SPD-Linke beklagt, dass Schröders „Reformen“ den Sozialstaat abbauen. Doch es geht um mehr als um den Sozialstaat – es geht um unseren Staat allgemein, es geht um unsere Demokratie!

Unser Wirtschaftssystem ist unsozial und ungerecht! Ist es nicht an der Zeit darüber nachzudenken, warum bei ausbleibendem Wachstum die (meist im Verborgenen bleibenden) Kapitalgeber es als selbstverständlich ansehen, dass ihnen auch in schlechteren Zeiten jährlich mehr Zinsen zufließen, ihr Anteil am „Kuchen“ also wächst, während die, die Arbeit machen (also Arbeiter und Unternehmer!) sich um einen immer kleiner werdenden Anteil streiten sollen? Hier liegt der Systemfehler, der dadurch behoben werden könnte, dass der Kapitalmarktzins unterhalb der Wachstumsrate des Volkseinkommens bleibt.

Wenn es immer wieder heißt, wir lebten „in Zeiten knapper Kassen“, dann muss man fragen: Wessen Kassen sind denn leer? Dazu einige Zahlen: Das Sozialprodukt ist von 1991 bis 2001 um 37 Prozent gewachsen, die Steuereinnahmen um 42 Prozent, trotzdem reicht das Geld nicht. Denn in den gleichen zehn Jahren haben sich die Geldvermögen (und zwangsläufig die Verschuldung!) verdoppelt! Damit stiegen auch die Zinslasten (ausweisbar anhand der Bankzinserträge) von 201 auf 382 Milliarden Euro. Wären Schulden und Zinszahlungen parallel zur Wirtschaftsleistung gestiegen, also um 37 Prozent, hätten Unternehmen und Staat heute 100 Milliarden mehr in den Kassen, was für die Bruttolöhne von vier Millionen Arbeitnehmern reichen würde!

Wenn aber das System nicht funktioniert, machen Reformen im System kaum einen Sinn! Schröder müsste also zu sich selbst sprechen, wenn er sagt, man könne doch nicht an etwas festhalten, was längst passé ist. VOLKER FREYSTEDT, Wörthsee